Streit um S21-Anstecker:Bekenntnis-Recht per Button - auch für Beamte

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Es gibt kaum einen Stuttgarter, der in diesen Tagen nicht seine Gesinnung zum Bahnhofsneubau am Körper zur Schau stellt. Doch während normalen Bürgern das Tragen von T-Shirts, Schals und Ansteckern zu S21 erlaubt ist, untersagten die Stadtoberen Verwaltungsangestellten das öffentliche Bahnhofs-Bekenntnis. Die zogen gegen das Verbot vor Gericht.

Roman Deininger, Stuttgart

In Stuttgart kann man gerade sehr leicht in heikle Lagen geraten, nicht mal in Weinstuben ist man mehr sicher. Die heikle Lage tritt oft unvermittelt ein, etwa wenn sich ein freundliches Paar im Rentenalter an den Nebentisch setzt und plötzlich ein verzücktes "Oben bleiben!" herüber schmettert, den Schlachtruf der Tiefbahnhofsgegner.

"Kein Stuttgart 21": Der Streit um den Neubau des Hauptbahnhofs hat längst auch seinen Weg auf Textilien - und Anstecker - gefunden. (Foto: Reuters)

Wenn man dann, wie es auch in Stuttgart einst gebräuchlich war, nur mit "Guten Abend" zurück grüßt, hat man sich bei den neuen Nachbarn schon geoutet: bestenfalls als verantwortungsloser Geselle, den das schwere Schicksal des Hauptbahnhofs nicht kümmert; und schlimmstenfalls als skrupelloser Mitverschwörer, der diesen Bahnhof gegen jede Vernunft verbuddeln will.

Bekenntnisse auf Ansteckern, Mützen und Schals

Die Lage kann dann rasch so heikel werden, dass sie nicht einmal mehr mit dem Hinweis auf bayerische Neutralität zu retten ist.

Es ist anstrengend, im Streit um Stuttgart 21 bekenntnislos zu sein. Ständig wird einem Auskunft über die eigene Gesinnung abverlangt, was dann etwa darüber entscheiden soll, ob man auf einer Party mit den Befürwortern im Gang herumsteht oder mit den Gegnern in der Küche. Und ständig teilen einem Leute ihre Gesinnung mit: auf Ansteckern, Mützen und Schals, die sie auch gerne mal ihren Hunden umbinden.

Insofern hatte der Rundbrief Nr. 18/2010 der Stadt Stuttgart durchaus seinen Charme: Im Einvernehmen mit OB Wolfgang Schuster (CDU) erinnerte darin der grüne Personalbürgermeister Klaus-Peter Murawski die 17.000 Verwaltungsmitarbeiter, dass im öffentlichen Dienst der "Grundsatz der Unparteilichkeit" gelte. "Das Tragen von Buttons und Aufklebern pro oder contra Stuttgart 21" sei deshalb nicht erlaubt.

Der Personalrat der Stadt wollte das nicht akzeptieren - und bekam am Dienstag vom Stuttgarter Verwaltungsgericht formal Recht. Der Bürgermeister, hieß es zur Begründung, habe Mitarbeiterrechte verletzt, er hätte den Personalrat in die Entscheidung über das Verbot einbeziehen müssen.

Murawski wird das Urteil in keine allzu heikle Lage bringen: Er ist inzwischen Amtschef von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

© SZ vom 09.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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