Streit um Rote Flora in Hamburg:Weiter lieber unverträglich

'Rote Flora'

Nach der Pressekonferenz geben Vertreter der Roten Flora den Medienvertretern Interviews

(Foto: dpa)

Vier Wochen nach den schweren Auseinandersetzungen im Schanzenviertel laden Hamburgs linke Gruppen zur Pressekonferenz. Gegeißelt werden Polizeieinsätze und Gefahrengebiete - ein Gesprächsangebot des Senats über den Rückkauf der "Roten Flora" lehnen sie ab.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Zur Pressekonferenz geht es vorbei an farbverschmierten Wänden, hoch in den ersten Stock, am "Frauenklo" vorbei, wie auf einem zerknitterten Zettel steht. Der heiligste Ort der linken Hamburger Gruppierungen, die Rote Flora, ist von innen nicht sonderlich spektakulär. Als Podium fungiert ein langer Tisch mit sechs Stühlen dahinter, das einzige Mikrofon knarzt, es muss herumgeschoben werden, wer immer gerade spricht. Ein kleiner Heizlüfter wummert, damit es wenigstens etwas wärmer wird.

Vier Wochen nach den schweren Auseinandersetzungen im Schanzenviertel und dem (angeblichen) Angriff auf die Polizeiwache in der Davidstraße haben linke Hamburger Gruppen zu einer Pressekonferenz geladen. Der Raum im ersten Stock ist gut gefüllt, Sitzplätze gibt es kaum noch. Die Rotfloristen, wie die linken Aktivisten, die sich um den Erhalt der Flora mühen, vereinfacht genannt werden, sitzen recht angespannt da. Sie müssen sich langsam auch mal äußern. Viel ist passiert in ihrer Stadt.

Natürlich geht es vor allem um die Rote Flora, die - mal wieder - abgerissen werden soll. Das autonome Kulturzentrum am Hamburger Schulterblatt, das früher ein Theater war, ist seit 24 Jahren in linker Hand. Vor einigen Jahren hat die Stadt es verkauft, der weniger gut gelittene Flora-Eigner Klausmartin Kretschmer sinniert derzeit offen über Umbau- und Abrisspläne. Nun droht ihm der SPD-Senat, vom vertraglich festgelegten Rückkaufsrecht Gebrauch zu machen.

Kretschmer und sein Immobilienberater Gert Baer sprechen zwar von einem "unmoralischen Angebot" und wollen die Offerte über 1,1 Millionen Euro nicht annehmen. Für Flora-Anwalt Andreas Beuth ist die Rechtslage jedoch klar. Kretschmer sei offenbar nicht in der Lage, "den von ihm unterschriebenen Vertrag zu lesen", sagt Beuth ganz in der Mitte des Podiums, ein angesehener Jurist in der linken Szene, dem die Flora seit Jahren am Herzen liegt. "Kretschmer plant ein fünf oder sechsstöckiges kommerzielles Gebäude zu bauen", erklärt Beuth, "das ist laut Vertrag ausgeschlossen."

Trotzdem sieht der Anwalt den Fortbestand der Flora akut bedroht. Er traue Kretschmer zu, eine Räumungsklage zu führen, sagt Beuth. Und es nütze schließlich nichts, wenn die Stadt erst einschreite, wenn Kretschmer mit dem Abriss begonnen hat. Beuth sagt: "Ich kann versichern, dass die Flora dieser Kündigung mit allen Mitteln entgegentritt." Rechtlich, politisch, notfalls wohl auch mit weniger diplomatischen Mitteln.

Nun könnte den Rotfloristen das Angebot der Stadt Hamburg eigentlich gelegen kommen. Der Erste Bürgermeister Olaf Scholz würde das Kulturzentrum kaufen und wohl bestehen lassen. Auf das Gesprächsangebot des SPD-Senats wolle man trotzdem nicht eingehen. "Wir haben Verhandlungen mit dem Senat schon vor einigen Jahren abgelehnt, aus guten Gründen. Das ist auch heute so", sagt Florentin Müller von der Gruppe "Flora bleibt unverträglich".

"Wir haben keine Militanz-Kristallkugel"

Aus guten Gründen? "Wir sehen das nicht als ausgestreckte Hand", sagt Müller in ruhigem Ton. Zu viel liege in dieser Stadt im Argen, vom geplanten Abriss der Essohäuser an der Reeperbahn bis zum verweigerten Bleiberecht für die Flüchtlinge aus Lampedusa. Das solle der Senat zu spüren bekommen. "Für die Flora, wie sie heute funktioniert, brauchen wir ohnehin keine Verträge", sagt Müller.

Gespräche mit dem Senat werde es also nicht geben? Müller knapp: "Nö."

Auch zu den anderen Streitpunkten der vergangenen Wochen gibt es markige Statements. Der angebliche Angriff auf die Polizeiwache an der Davidstraße sei nur ein Vorwand der Polizei gewesen, um die Gefahrenzonen einzurichten, urteilt Anwalt Beuth. Berichte über Attacken auf Beamte und Wachen seien nichts weiter als gezielte Desinformation, die Opferrolle der Polizei nur inszeniert, so der Vorwurf am Donnerstag. Den Angriff einer größeren Gruppe vermummter Aktivisten habe es "nicht gegeben", sagt Beuth, auch wenn die Berichte der Polizei ein ganz anderes Bild beschreiben.

Nächste Demonstration geplant

Die Gefahrenzonen, obwohl seit einigen Tagen aufgehoben, werden ebenfalls hart kritisiert. Die großen Befugnisse der Hamburger Polizei, die ohne Anlass auf offener Straße Kontrollen durchführen konnte, seien ein unerträglicher Zustand gewesen, sagt Eike Kohl vom "Ermittlungsausschuss", einer weiteren Gruppierung. Das harsche Fazit: "Einen Polizeiapparat mit so viel Macht hat es seit 1945 nicht mehr gegeben."

Am Samstag ist die nächste Demonstration geplant, ab 13 Uhr an der U-Bahn-Station Feldstraße, in der es um die Gefahrengebiete geht, aber auch um die Essohäuser, natürlich auch um die Lampedusa-Flüchtlinge. Ob es diesmal ruhig bleibt? "Wir haben keine Militanz-Kristallkugel", sagt ein Florasprecher. Allzu schnell zur Ruhe kommen dürfte Hamburg in dieser Gemengelage nicht.

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