Streit um muslimische Spieler in Israel:Rassistischer Fußballkrieg

Beitar Jerusalem soccer club history room fire

Verbrannte Trophäen: Aus Protest gegen die Verpflichtung von Fußballern aus Tschetschenien zündeten radikale Fans das Vereinsheim an.

(Foto: Abir Sutan/ dpa)

"Beitar bleibt für immer rein": Weil zwei muslimische Spieler beim Jerusalemer Traditionsverein Beitar anfangen wollen, laufen militante jüdische Fans Sturm. Am Wochenende brannte der Vereinssitz. Nun warnt selbst Regierungschef Netanjahu vor Rassismus in Israel.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Zunächst einmal der Bericht vom jüngsten Spiel mit dem Ergebnis, das wirklich zählt: 0:0 - kein einziger Verletzter auf beiden Seiten, kein Steinwurf, kein Tropfen Blut. Weil obendrein vier Tore gefallen sind und sich Beitar Jerusalem und der arabische Club Bnei Sachnin nach 90 Minuten schließlich friedlich mit 2:2 getrennt haben, war es für die Zuschauer, für die Polizei und für die Politiker ein ordentlicher Fußballabend. Doch das nächste Spiel ist immer das schwerste, und der Fußballkrieg in Jerusalem wird wohl noch weiter toben.

Was sich rund um das Teddy-Kollek-Stadion des Lokalvereins Beitar abspielt, hat mit Sport schon längst nichts mehr zu tun. Es geht um Rassismus auf dem Rasen und den Rängen, und der jüngste Schlagabtausch wurde angepfiffen vor zwei Wochen. Da kündigte der schwerreiche russischstämmige Klub-Besitzer Arkadi Gaydamak an, dass er zwei Spieler aus Tschetschenien verpflichten wolle, den 23-jährigen Stürmer Zaur Sadajew und den 19-jährigen Abwehrspieler Dschabrai Kadijew von Terek Grosny. Keine Messis, aber auch kein schlechter Fang.

Die beiden gelten als Talente, billig waren sie obendrein, und eine Verstärkung kann das Team aus Jerusalem gewiss gebrauchen. Der sechsmalige israelische Meister liegt derzeit in der Liga nur auf dem enttäuschenden siebten Platz. Doch außer dem Klub-Magnaten wollte sich kaum jemand freuen über die Neuverpflichtung. Der Grund: Die tschetschenischen Kicker sind muslimischen Glaubens und das hat es bei Beitar noch nie gegeben in 77 Jahren der Vereinsgeschichte.

Die Flammen waren ein Fanal

Im nächsten Heimspiel schon brach die Hölle los. Auf der Tribüne wurde ein Banner entrollt mit der Aufschrift: "Beitar bleibt für immer rein", und rein heißt in diesem Fall rein jüdisch. Der Anklang an den Nazi-Terminus "judenrein" war die geschmacklose und geschichtsvergessene Beigabe zu einem Fan-Krawall, der selbst im israelischen Fußball einmalig ist.

Bei der Ankunft mussten die beiden Neulinge von der Polizei geschützt werden, Grosny wird ihnen beschaulich vorgekommen sein im Vergleich zu Jerusalem. Ein Trupp des berüchtigten Fanklubs "La Familia" lauerte den Spielern auf, bespuckte sie und bewarf ihre Autos mit Steinen. Als Höhepunkt ging am Wochenende der Vereinssitz von Beitar in Flammen auf. Es war Brandstiftung, und dem Feuer fielen nicht zuletzt auch wertvolle Trophäen und historische Trikots zum Opfer.

Die Flammen waren ein Fanal, ein Aufschrei geht seither durchs Land. Premierminister Benjamin Netanjahu eröffnete am Sonntag die wöchentliche Kabinettssitzung mit der Warnung vor Gewalt und Rassismus in diesem Klub, zu dessen Anhängern er sich selber zählt. Solcher Extremismus müsse "mit der Wurzel aus der Öffentlichkeit und der Welt des Sports herausgerissen werden". Staatspräsident Schimon Peres hatte schon zuvor Israels Fußballverband schriftlich zum Handeln aufgefordert.

Schiedsrichter müssen Polizei rufen

Aber die Funktionäre sind ohnehin alarmiert, denn solche Vorkommnisse könnten am Ende noch ein Großereignis gefährden, das Israel als Fußballnation endlich einmal internationale Aufmerksamkeit sichern soll: die U-21-Europameisterschaft, die in diesem Sommer im heiligen, zerrissenen Land stattfinden soll.

Neu allerdings sind die Probleme beileibe nicht, schon lange läuft nichts mehr rund im israelischen Profi-Fußball. Nach einer Serie von Schlägereien auf und neben dem Platz war im vorigen Frühjahr sogar einmal ein Abbruch der Saison erwogen worden. Wenn Rote Karten nicht mehr weiterhelfen, müssen Schiedsrichter bisweilen die Polizei zur Hilfe rufen, um die Spieler zu bändigen. Auf den Tribünen scheint dieser Kampf schon längst verloren zu sein - und vor allem die Fans von Beitar Jerusalem haben sich zumindest hier einen einsamen Spitzenplatz gesichert.

Die Störer mussten draußen bleiben

Fußball ist für sie oft eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Von den Rängen dröhnen rassistische Schlachtrufe wie "Tod den Arabern" und Verhöhnungen des Propheten Mohammed. Während bei anderen Vereinen und auch in Israels Nationalmannschaft mittlerweile Spieler aus der arabischen Minderheit, die 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht, eine Selbstverständlichkeit sind, musste sich der Beitar-Kapitän öffentlich bei den Fans entschuldigen, als er einmal einen solchen Transfer vorschlug. Bei einem dermaßen begrenzten Horizont ist es wenig verwunderlich, wenn auch die Tschetschenen nun zu unerwünschten Arabern erklärt wurden.

Ihr erster Auftritt im Teddy-Kollek-Stadion war deshalb mit größtmöglicher Anspannung erwartet worden. Der Verein hatte ein Zeichen gegen den Rassismus angekündigt, der Fußballverband ließ vorsorglich die Ostkurve, die Heimstatt der radikalsten Fans, für fünf Spiele sperren.

Die bekannten Störer mussten draußen bleiben, stattdessen hatte sich einige Politprominenz auf der Tribüne eingefunden, und aus Grosny war sogar der Bürgermeister angereist, um seinen Landsleuten den Rücken zu stärken.

In der 80. Minute war es so weit: Der 19-jährige Kadijew stand zur irgendwie historischen Einwechslung bereit. Parallel zum Spiel entwickelte sich nun ein Duell auf den Rängen, wo jede Ballberührung des Tschetschenen entweder mit demonstrativem Beifall oder mit Pfiffen bedacht wurde. Als er auf den Platz kam, lag Beitar übrigens noch 1:2 zurück. Am späten Ausgleich hat er also mitgewirkt. Doch zum Jubeln gibt es wenig Anlass.

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