Streit um Moscheebau in New York:Bikinis, Nazis, böse Lügen

Weil Demokraten und Mainstream-Medien die geplante Moschee in der Nähe von Ground Zero als Thema verschlafen haben, führt nun die konservative Blogosphäre die Debatte an. Dabei sind nicht einmal Holocaust-Vergleiche tabu.

Barbara Vorsamer

Die Seiten nennen sich Jihad Watch, Creeping Sharia und Stop Islamization of America, sie setzen den Islam mit der Terrororganisation al-Qaida gleich - und sie hatten noch nie so viele Leser wie in diesem Sommer. Schuld daran ist die Diskussion um die sogenannte "Ground-Zero-Moschee". Zwei Straßenzüge vom Ort der Terroranschläge vom 11. September 2001 entfernt will ein Mann namens Feisal Abdul Rauf ein kulturelles Zentrum errichten, das neben einem Schwimmbad, mehreren Sporthallen, Bibliotheken und Konferenzsälen auch einen Gebetsraum für Muslime beheimaten soll.

Sarah Palin, Karen Handel

Sarah Palin spricht sich vehement gegen den umstrittenen Moscheebau in Manhattan aus. Doch gegen die Anführer der Anti-Moschee-Bewegung wirkt sogar Palin moderat.

(Foto: AP)

Die überregionalen Medien ignorierten das Thema lange, Politiker in Washington qualifizierten es als lokales Thema ab. Damit überließen sie konservativen Bloggern und republikanischen Rechtsaußen das Feld. Die bestellten es gerne - und inzwischen nützt es nichts mehr, sie als bigotte Krachmacher abzutun. Das Thema bestimmt die amerikanische Sommerpause und hat inzwischen auch Präsident Barack Obama ins Stolpern gebracht.

Nachdem er sich bei einem Dinner mit muslimischen Würdenträgern noch sehr wohlwollend gegenüber dem Projekt geäußert hatte, ruderte Obama wenige Stunden später zurück: Er habe sich nur generell für Religionsfreiheit in Amerika ausgesprochen, erklärte sein Sprecher Robert Gibbs. Ansonsten halte der Präsident die Entscheidung für oder gegen eine Moschee in Manhattan für eine lokale Angelegenheit.

Weniger zurückhaltend gibt sich die ehemalige republikanische Präsidentschaftsvizekandidatin Sarah Palin. Sie bezeichnete den Moscheebau am Ground Zero als "unnötige Provokation" und rief "friedliebende Muslime" via Twitter dazu auf, das Projekt abzulehnen. Das sie hierfür das selbst erfundene Verb "refudiate" benutzte, mag ihrer Causa noch geholfen haben. Schließlich taten die vielen Artikel über Palins Sprachpatzer nichts anders, als dem Moscheebau weitere Aufmerksamkeit zu schenken.

Newt Gingrich, in der Ära Bush republikanischer Mehrheitsführer im Kongress, schreckt nicht einmal vor gewagten Vergleichen zurück. "Nazis haben kein Recht, ein Schild vor das Holocaust-Museum zu stellen", poltert er im Programm des konservativen Nachrichtensenders Fox News. Und so wenig er gegen japanische Kulturinstitutionen habe - "wir würden in der Nähe von Pearl Harbor keine erlauben." Es gäbe keinen Grund, in der Nähe des World Trade Center eine Moschee zu genehmigen.

Gingrich und Palin sehen neben den Speerspitzen der Gegen-Moschee-Bewegung jedoch moderat aus: Die Aktivistin Pam Geller und der Buchautor Robert Spencer führen die Anti-Moschee-Bewegung an. Geller machte schon im Präsidentschaftswahlkampf Schlagzeilen, als sie behauptete, Obama sei ein uneheliches Kind von Malcolm X, dem ehemaligen Vorsitzenden der radikalen Nation of Islam.

Dass das völliger Unsinn ist, scheint ihrer Glaubwürdigkeit in gewissen Kreisen keinen Abbruch zu tun. Auch weiß Geller, wie man Aufmerksamkeit bekommt. So posiert sie in ihrem Kampf gegen den Islam schon mal im Bikini oder Superman-Catsuit und warnt vor der Scharia, als stünden die USA kurz davor, das islamische Gesetz in ihre Verfassung zu integrieren.

Gemeinsam mit Robert Spencer initiierte sie eine Massenkundgebung gegen das kulturelle Zentrum, die für den 11. September am Ground Zero geplant ist. Spencer betreibt die Seite Jihad Watch und behauptet von sich, Berater zahlreicher Politiker und Regierungsorganisationen zu sein. Die Washington Post zitiert diese Angabe nur sehr zweifelnd, glaubt jedoch zu wissen, dass Spencers Publikationen in republikanischen Zirkeln trotzdem viel gelesen werden.

Auch die US-Bürger sind dagegen

Das Getrommel der rechten Meinungsmacher wirkt auf jeden Fall - auch weil sich die USA derzeit im Wahlkampf befinden. Im November werden die Sitze im Repräsentantenhaus und einem Teil des Senats neu verteilt. Da wagt es kaum ein Republikaner, sich nicht gegen die "Ground-Zero-Moschee" auszusprechen. Bedenken, deswegen als intolerant wahrgenommen zu werden, haben sie nicht, im Gegenteil. Die öffentliche Meinung ist auf ihrer Seite, weswegen sich auch immer mehr Demokraten dazu gezwungen fühlen, gegen die Moschee Stellung zu nehmen, zum Beispiel Harry Reid. Der Mehrheitsführer im Senat muss derzeit hart kämpfen, um wiedergewählt zu werden.

Jihad Watch

Der Blog "Jihad Watch" ist mit Verschwörungstheorien schnell bei der Hand.

(Foto: Screenshot von www.jihadwatch.org)

Die meisten US-Bürger sind gegen das Projekt. 61 Prozent Gegner ermittelt zum Beispiel die aktuellste Umfrage des Magazins Time. Das New Yorker Siena College befragte nur Bewohner des Bundesstaates und kommt auf 63 Prozent Ablehnung. Allerdings schwanken die Ergebnisse stark je nach Formulierung der Frage. Wird lediglich gefragt, ob die Bürger eine Moschee am Ground Zero haben wollen, sind viele dagegen. Bringen die Forscher die Freiheit der Religionsausübung mit ins Spiel, fallen die Antworten gleich ganz anders aus.

Viele Bürger sind schlicht falsch informiert - was auch an dem Umgang der Medien mit dem Thema liegt. So ist schon der Begriff "Ground-Zero-Moschee" irreführend, impliziert er doch, dass ein muslimisches Gotteshaus direkt an den Ort der Attentate gebaut werden soll. Der Baugrund für das Projekt Park51 befindet sich jedoch zwei Straßenzüge entfernt. Zudem handelt es sich bei den Plänen nicht wirklich um eine Moschee, sondern um ein kulturelles Zentrum, das neben vielem anderen - wie zum Beispiel einer Gedenkstätte für die 9/11-Opfer - auch einen Gebetsraum für Muslime beheimaten soll.

Unter all dem Quatsch, der kursiert, gewinnt sogar die Behauptung, Präsident Obama selbst sei in Wirklichkeit ein Anhänger des Islams, wieder an Glaubwürdigkeit. Fast ein Fünftel der Amerikaner glauben das inzwischen wieder. Nur 34 Prozent der Befragten trauen sich, anzukreuzen, dass sie mit Sicherheit wüssten, dass ihr Staatsoberhaupt christlichen Glaubens sei.

Am Ende ist diese ganze Diskussion möglicherweise ganz umsonst geführt. Wie das Politmagazin Politico nun enthüllte, fehlen Bauherr Rauf anscheinend nicht nur ein Teil der erforderlichen Genehmigungen für Park51, sondern auch jegliche finanziellen Mittel. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sich bei der derzeitigen Stimmungslage Investoren finden.

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