Streit um Matteo Renzi:Italiens Sozialdemokraten im Grabenkampf

Primary win gives Bersani chance to be new Italian Premier

Hoffnung der italienischen Sozialdemokraten?: Matteo Renzi

(Foto: dpa)

Ihre Regierungskoalition mit Berlusconis Partei wackelt gewaltig, doch die italienischen Sozialdemokraten sind vor allem mit sich selbst beschäftigt. Wieder einmal suchen sie einen neuen Vorsitzenden. Diejenigen, die einen Neuanfang wollen, setzen auf Matteo Renzi aus Florenz. Doch gegen ihn gibt es starke Vorbehalte.

Von Andrea Bachstein, Rom

Sie sind dann doch zu Fuß gegangen, und haben nicht wie angekündigt die Fahrräder genommen, um sich dort zu zeigen, wo einst das Machtzentrum des römischen Weltreichs war. Wahrscheinlich haben Ignazio Marino und Matteo Renzi gemerkt, dass sie mit dem Rad zu schnell für die Kameraleute gewesen wären.

Und die sollten doch sehen, wie sie am Mittwochmittag in Rom auf der Via dei Fori Imperiali entlang der Kaiserforen und des Forum Romanum unterwegs waren, die Bürgermeister von Rom und Florenz. Ein schönes Werbebild für die beiden sozialdemokratischen Stadtoberhäupter.

Marino braucht Unterstützung für seinen Entschluss, mit dem er vor drei Wochen die Straße zur Fußgängerzone erklärt hat und damit Verkehrschaos und Protest der Ladeninhaber ausgelöst hat. Aber vor allem konnte man eine andere Botschaft leicht erraten, noch ehe sie irgendeine Stellungnahme abgaben: Marino stellt sich im sozialdemokratischen Grabenkampf demonstrativ auf die Seite des Florentiner Kollegen Renzi.

Alberne Nachrichten

Marinos Partei, die regierende PD von Premierminister Enrico Letta, ist wieder einmal auf der Suche nach einem neuen Vorsitzenden. Es wird der vierte in sechs Jahren werden, zählt man den derzeitigen Übergangsvorsitzenden nicht mit. Und der Mann, an dem sich die Konfliktlinien schon seit zwei Jahren am härtesten kreuzen, ist Matteo Renzi. Vorwahlen der Kanditen stehen im Herbst an, und in diesen Tagen der politischen Sommerfeste läuft die Debatte heiß.

Premierminister Enrico Letta hat weiterhin eine Partei, von der er immer genauso fürchten muss, dass sie ihm in den Rücken fällt, wie er hoffen darf, dass sie ihm den Rücken stärkt. Er selber versucht inzwischen, sich ganz den Regierungsgeschäften zu widmen und tapfer hinwegzusehen über die kleinen und großen Schlachten innerhalb seiner Partei.

Während Ex-Premier Silvio Berlusconi mal wieder droht, er werde die Koalition platzen lassen, ist die PD weiterhin vor allem mit sich selbst beschäftigt, wie schon so oft. Dazu gehören die albernsten Nachrichten.

Am Mittwoch gab es nicht nur die Werbebilder von Renzi und Marino mit Kolosseum, es gab auch die Meldung, dass Renzi beim traditionellen Unità-Fest der Linken, im Glauben, alle Mikrofone seien aus, über den Ex-Vorsitzenden Pier Luigi Bersani gesagt hat, der sei am Ende des Wahlkampfes völlig ausgepumpt und fertig gewesen. Und der Ex antwortete aus Genua, ob man nicht sehe, "dass ich braungebrannt bin". Auf diesem Niveau sind die gegenseitigen Spitzen und Gehässigkeiten angekommen.

Wofür Matteo Renzi steht

Bei den Parlamentswahlen im Februar hatte der als haushoher Favorit gehandelte PD-Vorsitzende und Premierkandidat Bersani zwar im Abgeordnetenhaus die Mehrheit erzielt, aber im Senat verfehlte die PD die Mehrheit. Nach wochenlangen Versuchen, eine Regierungsmehrheit zu finden, gab Bersani auf und trat als PD-Chef zurück. Seither leitet der ehemalige christliche Gewerkschaftschef Guglielmo Epifani die Partei, bis zu einem Parteitag.

Aber selbst über das Datum dieses Parteitags gibt es Streit, genauso wie über die Regeln für die Kandidatenwahlen. Aus solchen war Bersani bestimmt worden, und sein größter Konkurrent hieß damals schon Matteo Renzi.

Mit ihm, der für eine neue Generation und moderne, reformerische Politik steht, so sagten viele schon während des Wahlkampfs, hätte die PD mehr Chancen. Nach der Wahl sagten das noch mehr. Doch die Partei ist sich darüber weiter höchst uneins. Sie hat ihre Richtungskonflikte nie geklärt.

Zu laut, zu eitel - und nicht links genug

Renzi wollen jene, die brechen wollen mit den alten Gewohnheiten und der alten Generation von Politikern. Seine Kritiker halten Renzi für zu laut, zu eitel, zu selbstverliebt und zu wenig links. Sein Verständnis von Sozialdemokratie ist in der Tat dehnbar. Das treibt die zur Verzweiflung, die aus einer der ehemals kommunistischen Parteien zur PD gekommen sind.

Das große Sommerfest der PD in Genua war gerade Bühne dieser Konflikte. Eine große Nachricht war, dass Parlamentsminister Dario Franceschini sagte er, sei bereit für Renzi als Parteichef zu stimmen, "wenn er dafür arbeiten wird, die Partei zu einen". Das wurde sofort verstanden als wichtiges Signal und sorgte für neuen Streit. Neben dem großen Konflikt, der die PD fast zerreißt - der Koalition mit dem Erzgegner Berlusconi.

Roms Bürgermeister hielt sich da erst mal raus. Ignazio Marino sagte, er habe sich nur Tipps für die Einführung von Fußgängerzonen holen wollen. Das ist nämlich eines der Heldenstücke von Renzi: Als neuer Bürgermeister von Florenz hat er den jahrzehntelangem Streit über die Gestaltung des Domplatzes beendet, indem er ihn zur Fußgängerzone machte. Dass er in diesem Stil Italien regiert, wünschen die einen in der PD, die anderen fürchten genau das.

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