Streit um Konjunkturhilfen:Glos warnt vor zu viel Pessimismus

Deutschland stemmt sich gegen eine historische Rezession: Kaum ist das erste Konjunkturpaket beschlossen, werden Nachbesserungen quer durch die Koalition diskutiert. Wirtschaftsminister Glos jedoch hält die Republik für krisenfest.

Es ist gerade einmal zwei Tage her, dass der Bundesrat das Konjunkturpaket der Regierung durchgewunken hat. Doch es scheint, als würden die Politiker den eigenen Maßnahmen misstrauen. Denn eine Debatte über Folgemaßnahmen ist im vollen Gange - ganz entgegen der abwartenden Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Streit um Konjunkturhilfen: Sorge um die deutsche Wirtschaft: Forderungen nach Nachbesserung des Konjunkturpakets werden lauter, Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen will abwarten.

Sorge um die deutsche Wirtschaft: Forderungen nach Nachbesserung des Konjunkturpakets werden lauter, Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen will abwarten.

(Foto: Montage: sueddeutsche.de)

Während die Koalition eifrig über mögliche Nachbesserungen diskutiert, erhält Merkel Rückhalt vom Wirtschaftsminister Michael Glos. Der warnt angesichts der Wirtschaftskrise vor zu viel Pessimismus. "Der Standort Deutschland ist viel stärker als manche glauben", sagte der CSU-Politiker der Bild am Sonntag.

Zwar sei die Situation ernst und eine solche Herausforderung habe Deutschland in der Nachkriegszeit noch nicht erlebt. Allerdings gebe es in letzter Zeit einen regelrechten Überbietungswettbewerb bei Horrormeldungen über die Konjunktur.

Die deutschen Automobilfirmen seien stark genug, um die aktuelle Krise auch ohne Milliardenhilfen vom deutschen Steuerzahler durchzustehen, sagte Glos. Die Geschäftsbanken hingegen müssten ihr Verhalten dringend ändern. Derzeit misstrauten sich die Banken nicht nur gegenseitig, sondern auch noch ihren Kunden.

Er könne den Banken, die es nötig hätten, nur dringend raten, die von der Regierung bereitgestellten Hilfen in Anspruch zu nehmen, sagte Glos. "Die Banken haben eine dienende Funktion und bilden den Blutkreislauf der Realwirtschaft. Wenn der Kreislauf nicht funktioniert, dann kann der Patient auch nicht gesund werden."

Entscheidungen nicht in Sicht

Nicht nur der Union, sondern auch der SPD mangelt es an einer gemeinsamen Position: SPD-Chef Franz Müntefering verlangt Vorbereitungen für den Fall, dass die bisherigen Beschlüsse nicht reichen. Fraktionschef Peter Struck warnt dagegen vor einer verfrühten Diskussion, will aber Bundeshilfen für kommunale Investitionen thematisieren.

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wiederum zeigt sich laut Spiegel zwar offen für Nachbesserungen, schob den Zeitpunkt für eine Entscheidung über weitere Hilfen jedoch bis Ostern hinaus. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) schlägt vor, im Kampf gegen eine Rezession für 4,6 Milliarden Euro Schulen und Hochschulen zu modernisieren.

Kritik am Konjunkturpaket kommt auch aus der Wirtschaft: Mehrere Topmanager fordern weitergehende Maßnahmen.

"Mund halten, abwarten"

Entscheidungen sind derzeit jedoch nicht in Sicht: Die Koalitionsspitzen beraten am 5. Januar erneut über die Krise. Festlegungen wurden dabei bisher nicht erwartet. Struck nannte dies im Hamburger Abendblatt auch "viel zu früh". Steinbrück soll am vorigen Montag beim EU-Finanzminister-Treffen gesagt haben, er wolle das erste Quartal 2009 abwarten. Vor der Schaffung eines weiteren Konjunkturpaketes werde sich die Bundesregierung die wirtschaftliche Entwicklung genau anschauen. Bisher plädierten Merkel und Steinbrück dafür, zunächst die Wirkung des am Freitag vom Bundesrat beschlossenen Pakets abzuwarten - ohne Terminangabe.

SPD-Chef Müntefering mahnte dagegen im Focus ein zweites Konjunkturpaket zur Entlastung der Bürger an und sagte mit Blick auf die Regierungskoalition: "Wir müssen uns konzentriert und konzertiert darauf vorbereiten, schnell und zielführend handeln zu können." Im Frühjahr werde die Bevölkerung gemeinsame Maßnahmen sehen wollen. Struck riet dagegen, vorerst "sollten alle den Mund halten und abwarten".

SPD-interne Debatte über Konsumgutscheine

Umstritten sind weiterhin die vor allem innerhalb der SPD diskutierten Gutscheine zur Ankurbelung des Konsums. Die Maßnahme, die auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles fordert, schloss Müntefering nicht aus. Zunächst müsse aber geklärt werden, ob die Einkaufschecks "gezielt als Anreiz für bestimmte untere Einkommensgruppen" ausgeben werden können, sagte Müntefering.

Fraktionschef Struck dagegen hält die Debatte um Konsumgutscheine für "schädlich, denn sie führt zu Kaufzurückhaltung". Ähnlich hatte sich bereits Steinbrück geäußert. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) ließ im Deutschlandradio ebenfalls Distanz erkennen. Milliarden müssten ausgegeben werden, "für das, was notwendig ist" und nicht "für einen Auftritt in der Tagesschau", sagte Scholz. Auch 74 Prozent der Bürger - sowie 66 Prozent der SPD-Anhänger - finden Gutscheine nach einer Emnid- Umfrage für Bild am Sonntag nicht sinnvoll.

Auf der nächsten Seite: Das "knallharte Zeichen" der CSU an Kanzlerin Merkel.

Glos warnt vor zu viel Pessimismus

CSU gegen Kanzlerin Merkel

Struck forderte die Länder aber auf, eigene Investitionsprogramme aufzulegen. Baden-Württemberg will nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa kommende Woche eine solche Hilfe im Umfang von einer Milliarde Euro verkünden. SPD-Linke verlangen laut Spiegel ein Investitionsprogramm von 50 Milliarden Euro - und im Gegenzug eine Vermögensteuer und einen höheren Spitzensteuersatz.

Die CSU lässt im Streit mit der CDU nicht locker und fordert von Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut Steuersenkungen, einen Schutzschirm für den Mittelstand sowie mehr Gelder für Straßenbau und Schulen, berichtet die Passauer Neue Presse unter Berufung auf eine ihr vorliegende Beschlussvorlage, die der CSU-Vorstand am Montag verabschieden wolle. Ex-CSU-Chef Erwin Huber bezeichnete das Papier als "knallhartes Zeichen" an Merkel, "das am 5. Januar was vorgelegt werden muss".

Auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) forderte ungeachtet des Neins von Merkel erneut steuerliche Entlastungen der Bürger. In der Bild am Sonntag äußerte er die Hoffnung, Merkel doch noch zu Steuersenkungen bewegen zu können. Mit Blick auf Merkels Äußerung, sie schließe im nächsten Jahr keine Option zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise aus, sagte er: "Das ist ein Schritt der Kanzlerin in die richtige Richtung. In Richtung Steuersenkungen." Sie könnten Glos zufolge rückwirkend zum 1. Januar in Kraft treten.

Treffen ohne Merkel

Über die EU-Pläne für ein europaweites Konjunkturpaket beraten am Montag Frankreichs Präsident Nikolas Sarkozy, Großbritanniens Premier Gordon Brown und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in London - ohne Merkel. Dies zeigt aus Sicht von FDP-Chef Guido Westerwelle, "dass die großen Länder in Europa sie wegen ihrer Verweigerungshaltung nicht mehr dabei haben wollen", sagte er der B.Z. am Sonntag.

Unverhältnismäßige Rücksicht auf die Industrie

Die Krise beeinflusst auch den EU-Gipfel zur Klimapolitik am Donnerstag und Freitag. Die CDU-Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und des Saarlands, Jürgen Rüttgers und Peter Müller (beide CDU), verlangten im Focus Lockerungen der geplanten Regeln. Eine vollständige Versteigerung der Zertifikate, die der Industrie einen bestimmten Kohlendioxid-Ausstoß erlauben, gefährdeten die Wirtschaft. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umwelt warnte jedoch vor "unverhältnismäßiger Rücksichtnahme auf industrielle Partikularinteressen", geht aus Stellungnahme hervor, die Zeit Online vorliegt.

Schutzschirm für Autozulieferer

Angesichts der eingebrochenen Autoabsätze forderte BMW einen staatlichen Rettungsschirm für angeschlagene Zulieferer. "In einer so schwierigen Krisensituation muss der Staat einspringen", sagte BMW-Finanzvorstand Friedrich Eichiner dem Focus. Nach den Worten des BMW-Vorstands gibt es Anzeichen, dass sich die Lage einiger Zulieferer verschärft. Die Blockade des Kapitalmarktes müsse überwunden und Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Autohersteller könnten diese Aufgabe allerdings nicht übernehmen, weshalb staatliche Unterstützung notwendig sei.

Auch international stemmen sich die Regierungen gegen die Krise. Der designierte US-Präsident Barack Obama kündigte an, mit einem riesigen Konjunkturprogramm die US-Wirtschaft stabilisieren zu wollen. "Wir brauchen Taten - und wir brauchen Taten jetzt", forderte Obama in seiner wöchentlichen Radioansprache am Samstag. Der demokratische Wahlsieger wird am 20. Januar US-Präsident George W. Bush im Weißen Haus ablösen.

Obamas Mammut-Programm

Obama versprach erneut, mit massiven Investitionen in die Infrastruktur des Landes, in die Modernisierung von Schulen und Krankenhäusern, Energiesparprojekte in öffentlichen Gebäuden sowie dem Ausbau der Breitband-Internet-Verkabelung 2,5 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen oder bedrohte Arbeitsplätze zu retten.

Die geplanten Investitionen im Straßenbau wären die größten seit der Zeit von US-Präsident Dwight D. Eisenhower in den 50er Jahren, betonte Obama. Notwendig seien auch neue Heiz- und Beleuchtungssysteme in öffentlichen Gebäuden, weil "die US-Regierung derzeit die höchste Energierechnung der Welt zahlt".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: