Streit um Finanzpolitik:"Beim Geld hört die Freundschaft auf"

Erster Krach mit dem Wunschpartner? CDU-Mann Wulff geißelt die Pläne der Liberalen erneut mit scharfen Worten. Unterdessen gibt sich CDU-Generalsekretär Pofalla zuversichtlich, dass der Koalitionsvertrag bis Ende der Woche steht.

Im Streit um die Steuererleichterungen legt der stellvertretende CDU-Vorsitzende und niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff nach: Vor den erneuten Beratungen der Arbeitsgruppe Finanzen und Steuern über ein Steuerkonzept sagte Wulff der Bild-Zeitung, die FDP müsse "vom Wünschbaren zum Machbaren" kommen.

Schwarz-Gelbe Steuersenkungspläne, ddp

Kritisiert die Steuersenkungspläne der Liberalen mit deutlichen Worten: Christian Wulff (CDU) im Gespräch mit Guido Westerwelle (FDP).

(Foto: Foto: ddp)

"Beim Geld hört die Freundschaft auf", sagte Wulff und appellierte an die FDP, von ihren Forderungen nach einer großen Steuerentlastung abzurücken. "Mit eigenem Geld kann man zocken, mit dem Geld der Bürger nicht."

Die FDP fordert eine Steuerentlastung in Höhe von 35 Milliarden Euro. Der Gegenvorschlag der Union sieht dafür 20 Milliarden Euro vor.

Bereits am Samstag war es zwischen Wulff und FDP-Chef Westerwelle darüber zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen. Der niedersächsische Regierungschef ließ seinem ganzen Frust über die Steuersenkungspläne der FDP mit heftigen Worten freien Lauf: "inakzeptabel" oder "steuerpolitischer Blindflug", polterte Wulff. Als Ministerpräsident könne er im Bundesrat so etwas nicht mittragen.

Zum zweiten Mal in den bisher zweiwöchigen Verhandlungen von Union und FDP hatte Guido Westerwelle daraufhin in unaufgeregtem Ton die Sinnfrage gestellt. Wenn das die Meinung der Union sei, "dann sind wir durch."

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sieht das Klima bei den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen auch nach diesen Streitereien nicht beschädigt. Es habe "bestenfalls kräftigere Formulierungen auf beiden Seiten" gegeben, sagte er im ZDF-"Morgenmagazin". Zwischen CDU, CSU und FDP bestehe weiterhin "ein Klima des Vertrauens", das "durch den Samstag nicht verändert" worden sei. Sonst hätten die drei Parteien auch nicht bereits Parteitage zur Absegnung eines Koalitionsvertrages anberaumt. Pofalla betonte, man habe damit immer noch "die kürzesten Koalitionsverhandlungen, die es jemals gegeben hat."

Auch CSU-Chef Horst Seehofer hatte den Vorfall heruntergespielt: "Was für manche schon ein Schlagabtausch ist, ist für mich eine normale Diskussion." Widersprüchlich waren denn auch Medienberichte zu den Verhandlungen. So meldete die "Tagesschau", dass es in den Finanzfragen einen Durchbruch gegeben habe. Dem Bericht zufolge sollen 20 bis 23 Milliarden für Steuerentlastungen bereitgestellt werden. Die ARD beruft sich mit ihren Informationen auf Verhandlungskreise.

Über die turbulenten Koalitionsverhandlungen am Wochenende sagte die bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der Passauer Neuen Presse: "Das war schon eine ernste Situation. Dennoch: Wir blicken jetzt nach vorn. Die Verhandlungen stecken nicht fest." Allerdings hält sie es auch für möglich, dass der Koalitionsvertrag doch noch nicht bis Ende der Woche steht. "Ende der Woche könnte der Koalitionsvertrag stehen. Wenn nicht: Die FDP hat Zeit. Wenn es länger dauert, haben wir überhaupt kein Problem damit."

Es gebe immer wieder Momente, in denen Klartext geredet werde, berichtete Leutheusser-Schnarrenberger. "Das ist selbstverständlich. Danach weiß man, woran man ist und welchen Stellenwert die Forderungen des Gegenübers für ihn haben. Wichtig ist, dass man bei aller Härte so miteinander umgeht, dass man auch weiter zusammenarbeiten kann."

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"Wir kennen die Zahlen"

Zum Streit um die Steuerentlastung sagte Leutheusser-Schnarrenberger: "Auch die FDP weiß, dass die Haushaltslage schwierig ist. Wir kennen die Zahlen." Die neue Koalition müsse aber ein Aufbruchsignal geben. "Es muss klar werden, dass sich etwas ändert und Wachstum und Arbeitsplätze geschaffen werden", betonte sie.

Doch an der Finanzpolitik entzündet sich weiter Streit: Auch der ehemalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber fordert die FDP auf, Maß zu halten. Huber sagte am Montag im Deutschlandradio Kultur, die von den Liberalen propagierten Steuerentlastungen von 35 Milliarden Euro seien nicht finanzierbar. Gleiches gelte für die Abschaffung der Gewerbesteuer.

Leutheusser-Schnarrenberger indes wusste auch Positives aus den Verhandlungen zu berichten. So habe man sich bei der FDP-Forderung nach einer weitreichenden Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften einigen können: "Es wird eine Gleichstellung für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im gesamten Beamtenrecht geben. Das betrifft Versorgung, Besoldung und Beihilfe." Keine Einigung habe es beim Adoptionsrecht gegeben.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart wies Wulffs erneute Forderung, von den Entlastungsplänen abzurücken, zurück. Schnelle Steuerentlastungen und eine Steuerstrukturreform seien wichtig für "mehr Wachstum, neue Arbeitsplätze und mittelfristig mehr Steuereinnahmen". Pinkwart warnte die Union vor einem unüberlegten Sparkurs. Es dürfe nicht an der falschen Stelle gegen die Krise angespart werden.

Unionsfraktionschef Volker Kauder wollte sich am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" zu den geplanten Steuererleichterungen nicht näher äußern. Er deutete aber an, dass die von der Union vorgeschlagene Größenordnung von 20 Milliarden Euro eine Möglichkeit sei. "Wir wollen ein Wachstumspaket auf den Weg bringen", sagte er. Dazu gehörten auch Steuererleichterungen.

Zum Einsparpotenzial für die Gegenfinanzierung äußerte Kauder sich nicht konkret. Er machte lediglich deutlich, dass möglicherweise bei der Bundesagentur für Arbeit noch mehr gespart werden könne.

Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla machte keine konkreten Angaben: Es werde "ein Wachstumsprogramm" geben, kündigte er an. In diesem seien auch Steuerentlastungen vorgesehen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sprach von einem "Wachstumsbeschleunigungskonzept".

Koalitionsvertrag soll am Wochenende stehen

Für die nächste große Koalitionsrunde am Mittwoch soll der Arbeitskreis eine Vorlage zu den wichtigsten steuerpolitischen Maßnahmen erstellen. Auch FDP-Generalsekretär Dirk Niebel und CDU-Generalsekretär Pofalla wollen am Montag noch einmal zu Gesprächen über die Arbeitsmarktpolitik zusammenkommen. Spätestens am Wochenende soll dann der Koalitionsvertrag stehen.

Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers (CDU), sagte im Handelsblatt, es gebe einen Spielraum für Entlastungen. "Entlastungen sind als Wachstumssignal in der Krise wichtig."

Kampf gegen Kinderarmut

Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte Union und FDP zu einem Umsteuern in der Familienpolitik auf. Wichtigste Aufgabe für die neue Regierung sei es, 1,9 Millionen Kinder in Deutschland aus der Armut an die Normalität und das gesellschaftliche Leben heranzuführen, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der Frankfurter Rundschau.

Die Hartz-IV-Sätze für Kinder seien "Armutssätze" und reichten nicht zum Leben. Das Bundesverfassungsgericht prüft am Dienstag die Berechnungsgrundlage für den Hartz-IV-Satz für Kinder.

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