Streit um Farmbesitz:Alte Traumata

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Kleinbäuerinnen in der südafrikanischen Provinz Limpopo. Ihr genossenschaftlich bewirtschaftetes Land war früher eine Großfarm.

(Foto: imago/Gallo Images)

24 Jahre nach dem Ende der Apartheid besitzen Weiße immer noch 73 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen. Abgeordnete wollen nun "Gerechtigkeit schaffen", auch der neue Präsident unterstützt den Vorschlag.

Von Tobias Zick

Es ist eine der seit Langem schwelenden Wunden in der südafrikanischen Gesellschaft, nun bricht sie auf. Das Ende des Apartheid-Regimes 1994 hat dem Land zwar politische Freiheiten und Gleichheit vor dem Gesetz gebracht, aber die wirtschaftliche Ungleichheit ist geblieben, und kaum ein anderes Thema birgt in der vermeintlichen Regenbogennation so viel Zündstoff wie die Landfrage: Einer kürzlich veröffentlichten Studie zufolge ist noch immer 73 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche des Landes im Besitz von Weißen; nicht allzu viel weniger als 1994, damals waren es 85 Prozent.

Die Strukturen sind ein lebendiges Erbe des "Natives Land Act", der 1913 einen Grundstein für die rassistische Minderheitenherrschaft der Weißen legte: Das Gesetz teilte der schwarzen Bevölkerungsmehrheit ganze sieben Prozent des Staatsgebiets zu; als Wohn- und Landwirtschaftsfläche. Eine kollektive Enteignung, schreiendes Unrecht, das die kurz zuvor gegründete Befreiungsbewegung ANC (African National Congress) zum Widerstand anstachelte. Der erste ANC-Generalsekretär, Solomon Plaatje, schrieb, mit Inkrafttreten des Natives Land Act wurden die Einheimischen zu "Paria in ihrem Geburtsland."

Ramaphosa befürwortet die Landenteignungen - sofern die Produktivität gesteigert wird

Am Dienstag trat der Oppositionspolitiker Julius Malema, Vorsitzender der linksradikalen "Economic Freedom Fighters" (EFF), vor das Parlament in Kapstadt und sagte: "Die Zeit für Ausgleich ist vorbei, jetzt ist Zeit für Gerechtigkeit." Seine Fraktion brachte einen Antrag auf Änderung der Verfassung ein: Demnach soll es möglich werden, Farmer ohne Ausgleichszahlungen zu enteignen. Nach einigen Änderungen schloss sich die Fraktion der Regierungspartei ANC an; der Antrag erhielt eine große Mehrheit von 241 zu 83 Stimmen.

Das Thema zwingt den neuen Präsidenten des Landes, Cyril Ramaphosa, zu einer Gratwanderung. Kurz vor der Parlamentsabstimmung über die Landfrage hatte er in seiner ersten Fernsehansprache betont, die neue Regierung müsse "das Gleichgewicht zwischen Kontinuität und Stabilität einerseits und notwendiger Erneuerung andererseits" sicherstellen. Ramaphosa, den einst Nelson Mandela vergeblich versuchte, zu seinem Nachfolger an der Spitze des ANC zu machen, war vor zwei Wochen vom Parlament zum neuen Präsidenten gewählt worden; seine Unterstützer hoffen darauf, dass er das Netz aus Korruption und Vetternwirtschaft, mit dem sein Vorgänger Jacob Zuma das Land und die Partei überzogen hat, ausmistet und dem ANC zu neuer Größe verhilft. Etliche Südafrikaner haben sich von der traditionsreichen Befreiungsbewegung abgewandt; vor allem jüngere schwarze Wähler werfen Zuma vor, die Ideale Mandelas verraten zu haben. EFF-Chef Julius Malema war einst Vorsitzender der ANC-Jugendliga, bis er sich mit seinem damaligen Vertrauten Zuma überwarf; seither wettert er gleichermaßen gegen korrupte schwarze Eliten wie gegen weiße Kapitalbesitzer.

Ramaphosa gilt im Gegensatz zu Zuma weithin als integer, zugleich aber auch als ein Mann der Großindustrie: Nachdem die Partei ihm seinerzeit die Mandela-Nachfolge verwehrt hatte, ging er in die freie Wirtschaft und wurde Multimillionär; unter anderem saß er im Aufsichtsrat des Bergbaukonzerns Lonmin, als 2012 Bergarbeiter in der Stadt Marikana streikten - und 34 von ihnen von der Polizei erschossen wurden.

In seiner Ansprache am Dienstag warb Ramaphosa um das Vertrauen jener, die sich von der ANC-Politik verraten fühlen: Er befürworte Landenteignungen ohne Entschädigungen - sofern dadurch die landwirtschaftliche Produktivität gesteigert werde. Das ist freilich eine hohe Hürde; viele der Großfarmen auf den eher kargen südafrikanischen Böden sind hoch technisierte, auf größtmögliche Effizienz getrimmte Betriebe. Und über der ganzen Debatte schwebt, als Schreckensszenario, das Beispiel Simbabwe: In dem Nachbarland waren um die Jahrtausendwende mehrere Tausend Farmer gewaltsam enteignet worden, die landwirtschaftliche Produktion brach dauerhaft ein.

Ob der Parlamentsantrag zu Enteignungen führen wird, ist noch offen: Zunächst soll ein Komitee die Möglichkeiten einer Verfassungsänderung prüfen und bis zum 30. August Ergebnisse vorlegen.

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