Griechischer Premier in Berlin:Papandreou fordert Respekt für "übermenschliche Anstrengung"

Es geht um Milliarden Euro, um Wirtschaftsreformen, aber auch um Verachtung, Frustration und Anerkennung: In Berlin verbittet sich Griechenlands Ministerpräsident Papandreou überzogene Kritik an seinen Landsleuten. Das Land werde alle Reformauflagen der internationalen Troika umsetzen, verspricht er. Noch in dieser Woche sollen Experten von EU, IWF und EZB nach Athen zurückkehren und ihre Arbeit wiederaufnehmen.

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat sich zuversichtlich gezeigt, die Schuldenkrise zu bewältigen. "Yes, we can", sagte er beim Tag der Deutschen Industrie in Berlin und zitierte damit US-Präsident Barack Obama, der zurzeit selbst gegen die Schulden im Haushalt ankämpft. Zwei Tage vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag über die Euro-Hilfen, die auch Griechenland betreffen, ist der Regierungschef zu Besuch in Deutschland, dem Land, das am meisten Kredite für den überschuldeten Mittelmeerstaat zur Verfügung stellt. Am Abend trifft er sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), um ihr die Sparmaßnahmen seiner Regierung zu erklären.

In seiner Rede auf der Veranstaltung des Industrieverbandes BDI sagte Papandreou, Griechenland stehe zu seinen Zusagen, um die nächste Milliardenrate von Europäern und Internationalem Währungsfonds zu bekommen. "Ich kann garantieren: Griechenland wird alle Verpflichtungen erfüllen."

Doch Papandreou ist nicht nach Berlin gekommen, um deutschen Investoren aus der Hand zu fressen: Er beklagte mangelnde Anerkennung für die Bemühungen seines Landes zur Bewältigung der Schuldenkrise. Griechenland unternehme "übermenschliche Anstrengungen", um seinen Schuldenberg abzutragen, sagte er. Trotzdem halte die Kritik an seinem Land an. Das sei "zutiefst frustrierend".

Dies gelte nicht nur für die politische Ebene, sondern vor allem auch "für die Griechen, die schmerzhafte Opfer und schwierige Veränderungen erfahren", sagte Papandreou. "Wir bitten einfach um Respekt für die Tatsachen", sagte er. "Wenn die Menschen nur Bestrafung und Verachtung spüren, wird aus dieser Krise keine Chance."

Der griechische Regierungschef übte aber auch Selbstkritik. "Wir sind kein armes Land, wir waren ein schlecht geführtes Land." Man sei mitten auf einem "schmerzhaften Weg". Er rief Investoren zu einem stärkeren Engagement in seinem Land auf. Griechenland habe allein 2010 sein Defizit gewaltig reduziert. Zum Vergleich: Deutschland hätte dafür 125 Milliarden Euro sparen müssen, sagte Papandreou.

Zugleich dankte er den Euro-Partnern für die Solidarität. "Das gibt uns die Zeit für Veränderungen." Der griechische Regierungschef wurde von den Vertretern des BDI mit langem Beifall begrüßt. BDI-Chef Hans-Peter Keitel nannte dies ein Zeichen des Dankes und des Respekts für die Anstrengungen Griechenlands, um aus der Schuldenkrise herauszukommen. "Sie stehen nicht allein vor Ihren großen Aufgaben", sagte Keitel in Richtung des Athener Regierungschefs.

Unterdessen teilte das Finanzministerium im Athen mit, dass die Prüfer der Geber-Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds noch in dieser Woche nach Athen zurückkehren und dort ihre Arbeit fortsetzen werden. Bei den Gesprächen werde es vor allem um die für 2013 und 2014 geplanten Schritte gehen. Nach einem angeblichen Streit hatte die Troika Athen Anfang September überraschend verlassen.

Die nächste Tranche des Rettungspakets im Umfang von acht Milliarden Euro werde rechtzeitig überwiesen, sagte Finanzminister Evangelos Venizelos. Zuletzt hatte Griechenland erklärt, seine finanziellen Mittel reichten nur noch bis Mitte Oktober. Dann könnten zum Beispiel Staatsangestellte nicht mehr bezahlt werden.

Rösler ermahnt Griechenland

Im Vorfeld von Papandreous Besuch in Deutschland hatte sich erneut Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler zu Wort gemeldet: Er forderte den Ministerpräsidenten zu einer zügigen Umsetzung der Sparmaßnahmen auf. "Entscheidend kommt es jetzt auf die griechische Regierung an. Ohne umfassende Reformen kann es keine weiteren Hilfen geben. Deshalb muss Griechenland jetzt entschlossen an der Umsetzung der Reformen arbeiten." Als Beispiele nannte Rösler die Haushaltsdisziplin, umfassende Privatisierungen und den Umbau des Verwaltungsapparates.

Diese Debatte dürften nun führende Wirtschaftswissenschaftler aus Deutschland und Frankreich erneut anheizen. In einem Gastbeitrag für die Financial Times Deutschland sprechen sie sich für einen Schuldenschnitt von 50 Prozent für Griechenland aus. Dies hätte zwar erhebliche Folgen für andere Schuldenstaaten in der Eurozone, aber nur so könne langfristig Stabilität in der Währungsgemeinschaft geschaffen werden, schreiben die fünf Wirtschaftsweisen sowie Berater der französischen Regierung, des Weltwährungsfonds und der Europäischen Zentralbank.

"Die Gläubiger sollten auf ungefähr die Hälfte des Nominalwerts ihrer ausstehenden griechischen Staatsanleihen verzichten." Dazu sollten griechische Staatsanleihen im Wert von 100 Euro gegen eigene Anleihen des EU-Rettungsschirms EFSF zu 50 Euro getauscht werden können. Zudem solle der EFSF dazu ermächtigt werden, von der Umschuldung besonders stark betroffene Banken zu stützen. Der "Teufelskreis aus Banken- und Schuldenkrise" könne so durchbrochen werden, auch wenn die Umschuldung kurzfristig sehr schmerzhaft sei. Dies sei allerdings zu verkraften, schreiben die zehn Ökonomen.

Merkel unter Druck

Ökonomen warnen vor fehlender Kanzlermehrheit

Im Vorfeld der Abstimmung zum neuen Euro-Rettungspaket am Donnerstag steht Kanzlerin Merkel unter massivem Druck. An diesem Nachmittag beraten die Fraktionen der Bundestagsparteien über die Ausweitung des EFSF. Gemäß den Beschlüssen des Euro-Gipfels vom Juli sollen unter anderem die Mittel für Kredite auf 440 Milliarden Euro erhöht werden. Außerdem soll dem Fonds die Möglichkeit erlaubt werden, Anleihen von Schuldnerstaaten aufzukaufen und vorsorglich Kreditlinien bereitzustellen.

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"Yes, we can": Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou zitiert bei seiner Rede vor dem Industrieverband BDI in Berlin US-Präsident Obama.

(Foto: AFP)

Vor allem in den Koalitionsfraktionen gibt es dagegen noch erhebliche Vorbehalte, so dass als nicht gesichert gilt, dass Union und FDP bei der Abstimmung eine eigene Mehrheit erhalten. Für die Kanzlermehrheit bräuchten die schwarz-gelben Regierungsfraktionen nicht nur die Hälfte der Stimmen der anwesenden Parlamentarier, sondern mehr als die Hälfte aller möglichen 620 Bundestagsstimmen, also 311. Am Montagabend hatte Kanzlerin Merkel auf einer Regionalkonferenz der CDU in Karlsruhe die Basis umworben.

Ökonomen warnen vor "Zeichen der Schwäche"

Auch Ökonomen warnen vor einem Verfehlen der Kanzlermehrheit: "Wenn Angela Merkel wider Erwarten keine eigene Mehrheit für die Reform des Hilfsfonds fände, wären die Investoren beunruhigt", sagte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, Handelsblatt Online. Dann würde das Risiko steigen, dass die Koalition nicht bis zum Ende der Legislaturperiode durchhalte. Zudem würde das Lager derjenigen gestärkt, die gegen Hilfen für Peripherieländer wie Portugal oder Griechenland seien.

Ähnlich äußerte sich auch der Chef des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Gustav Horn: "Kommt die Mehrheit nicht zustande, keimt die Frage auf, wie es in Deutschland politisch weitergeht." Diese Ungewissheit werde sich auf den Märkten dann in entsprechenden Zinsaufschlägen zeigen. DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner sagte: "Verweigern aber die Parlamentarier der Regierungsparteien Frau Merkel die Gefolgschaft, so dürfte das von den Kapitalmärkten als Zeichen für die Schwäche der Kanzlerin - zumindest in europapolitischen Fragen - verstanden werden."

Auch die Gewerkschaften haben die Abgeordneten dazu aufgerufen, dem erweiterten Rettungsschirm zuzustimmen. In einer Zeitungsanzeige, die an diesem Dienstag in mehreren großen Tageszeitungen veröffentlicht wird, darunter auch in der Süddeutschen Zeitung, heißt es: "Ohne gemeinsame Anstrengungen aller Länder der Euro-Zone droht der Zerfall der gemeinsamen Währung mit weitreichenden Folgen für Wohlstand und Beschäftigung." Den Appell haben der DGB-Vorsitzende Michael Sommer sowie die Chefs von acht Einzelgewerkschaften unterschrieben, darunter Berthold Huber (IG Metall) und Frank Bsirske (Verdi).

Kritisch merken die Gewerkschaftschefs an, dass die Regierungen der europäischen Staaten und die EU-Kommission es bislang versäumt hätten, "die Finanzmärkte wirkungsvollen Regeln zu unterwerfen. Europa wurde deshalb immer mehr zum Spielball der Spekulanten." Wer nur über Ausgabenkürzungen und soziale Einschnitte die Haushalte sanieren wolle, und verliere die Zustimmung der Bürger zur europäischen Idee. Vermögende müssten einen deutlich höheren Beitrag leisten, um die Krise bewältigen zu können, so ihr Aufruf.

In diesem Zusammenhang zeigte sich FDP-Chef Rösler zuversichtlich, dass Schwarz-Gelb bei der Abstimmung am Donnerstag die Kanzlermehrheit erzielen werde. "Wir werden eine eigene Koalitionsmehrheit erreichen, da bin ich sicher." In der FDP sei die Zahl der Rettungsfonds-Befürworter zuletzt weiter gestiegen. Es gebe nur noch wenige Gegner.

Einer davon ist der liberale Rettungsschirm-Kritiker Frank Schäffler. Der kündigte im Fernsehsender Phoenix seine Ablehnung am Donnerstag an. Zudem kritisierte er die Informationspolitik der Bundesregierung scharf: "Ich halte es für notwendig, alle Facetten zu kennen als Parlamentarier, bevor man abstimmt. Dies scheint nicht der Fall zu sein. Wir kennen heute noch nicht die Guidelines, die Rahmenbedingungen für die Sekundärmarkt-Ankäufe."

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