Streit um Endlager Gorleben:Kanzleramt weist Vorwürfe zurück

Nach neuen Enthüllungen über das geplante Endlager wehrt sich Kanzleramtschef Thomas de Maizière gegen die Vorwürfe von Umweltminister Sigmar Gabriel. Die Union hält an der Erkundung des Salzstocks fest.

Michael Bauchmüller

Die Einflussnahme von Regierungsstellen 1983 auf ein Gutachten über den Salzstock Gorleben sorgt für neuen Streit über die Endlagerung des Atommülls. In scharfem Ton kritisierte Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) nun Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) - der zuvor gefordert hatte, auf ein Endlager in Gorleben endgültig zu verzichten. "In den vergangenen Jahren waren wir gemeinsam der Auffassung, dass der Salzstock Gorleben weiterhin auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktive Abfälle untersucht werden müsse", schreibt de Maizière. "Diesen Grundkonsens haben Sie verlassen, ohne dass dafür substantielle Erkenntnisse vorliegen." Der Brief liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Streit um Endlager Gorleben: Im Streit mit der Union um das Endlager Gorleben: Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD).

Im Streit mit der Union um das Endlager Gorleben: Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD).

(Foto: Foto: dpa)

Zuvor war ein Telex vom Mai 1983 bekannt geworden. Darin machte das Bundesforschungsministerium - in Absprache mit dem Innenministerium - Formulierungsvorschläge für ein entscheidendes Gorleben-Gutachten. Die Vorschläge liefen darauf hinaus, kritische Bemerkungen über die Eignung Gorlebens als Atommüll-Endlager zu ändern. Der damalige Forschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) distanzierte sich am Mittwoch von dem Telex. Dieses sei ein "Beitrag des zuständigen Fachreferates, das in seiner Zuständigkeit zur Ressortabstimmung beigetragen hat", sagte er. Gorleben müsse weiter erkundet werden.

Das sieht auch das Kanzleramt so. Nach den Unterlagen aus dem Jahr 1983 habe "keine der an dem Gutachten beteiligten wissenschaftlichen Einrichtungen Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer untertägigen Erkundung des Salzstocks Gorleben geäußert", schreibt de Maizière. Schließlich fußten die "Unsicherheiten" lediglich auf der "übertägigen Erkundung" in Gorleben, also in Unkenntnis der Verhältnisse im Salzstock. Das Kanzleramt hatte sich die Akten zu Gorleben aus dem Umweltministerium zukommen lassen.

Derweil forderte Gabriel Kanzlerin Angela Merkel auf, sich vom Vorgehen der Regierung Helmut Kohls zu distanzieren. Auch müsse sich die CDU-Vorsitzende von der Idee lösen, Gorleben weiter zu erkunden. Stattdessen müsse der Bund erneut auf die Suche nach einem Endlager gehen, verlangte Gabriel. Im Falle einer Regierungsbeteiligung der SPD werde es "keine weitere Erkundung in Gorleben" geben.

Unter welchem Druck die Experten seinerzeit standen, zeigt allerdings der Brief eines Geochemikers der Universität Göttingen, der Bestandteil der Akten ist. In einem Schreiben an die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) legte er Ende April 1983 seine Zweifel an dem Verfahren dar - zwei Tage nach einer Regierungserklärung des niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) zu Gorleben. "Nach meinem persönlichen Eindruck ist Gorleben als zentrales Endlager von politischer Seite fest eingeplant, während in der Öffentlichkeit immer von einem Erkundungsstadium gesprochen wird", schrieb der Göttinger Professor an den zuständigen Abteilungsleiter der PTB. "Die Wissenschaftler wurden schon vor Jahren durch die Fixierung auf einen einzigen Salzstock nicht nur in ihrer Handlung, sondern auch in ihrem Argumentationsspielraum stark gebunden."

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