Streit um Clarke-Buch:"Der hatte keinen Schimmer"

Das Weiße Haus hat die Anschuldigung des Terror-Experten Richard Clarke, die Bush-Regierung habe die Bedrohung durch Al-Qaida-Terroristen vor dem 11. September grob vernachlässigt, scharf zurückgewiesen. Vize-Präsident Dick Cheney sagte in der Nacht auf Dienstag: "Ehrlich gesagt hatte Clarke keinen Schimmer, was abging. Der hat noch ein Hühnchen zu rupfen, weil er nicht befördert wurde."

Von Andrian Kreye

New York - Clarke, der die Vorwürfe in seinem Buch "Against All Enemies" ("Gegen alle Feinde") erläutert, hat schon unter Ronald Reagan und Bill Clinton als Experte für Terrorismusfragen gedient. Nach den Anschlägen des 11. September fungierte er zunächst als Krisenmanager. Danach schob ihn Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice in die Abteilung für Computersicherheit ab, worauf er seine Ämter niederlegte.

Clarkes Vorwürfe kommen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. US-Präsident George W. Bush hat seinen Wahlkampf auf seiner Rolle als Befehlshaber im Krieg gegen den Terror aufgebaut. Am Dienstag begannen jedoch die zweitägigen Anhörungen vor dem Untersuchungsausschuss, der die Vorgänge um die Anschläge des 11. September klären soll. Die ehemalige Außenministerin Madeleine Albright sagte der zehnköpfigen Kommission, die Regierung Clinton habe alles getan, "was uns auf Grund des damals verfügbaren Wissens einfiel, um unser Volk zu schützen und al-Qaida zu besiegen".

"Warum fällt ihm das ausgerechnet jetzt ein?"

Nach Albright sollten unter anderem ihr Nachfolger Colin Powell, Pentagon-Chef Donald Rumsfeld und CIA-Chef George Tenet aussagen. Am heutigen Mittwoch sollen die Aussagen von Clarke die Anhörungen abschließen.

"Warum fällt ihm (Clarke) das alles ausgerechnet jetzt ein, obwohl diese Vorgänge schon zweieinhalb Jahre zurückliegen?", fragte Bushs Sprecher Scott McLellan. "Vielleicht will er nur sein Buch verkaufen. Aber man sollte auch beachten, dass er bestens mit Rand Beers befreundet ist, dem außenpolitischen Berater des John-Kerry-Teams."

Das Weiße Haus veröffentlichte eine Erklärung, in der Clarkes Anschuldigungen zerlegt werden. Andere Regierungsvertreter bezeichneten Clarkes Anschuldigungen als unverantwortlich, widerwärtig und schlichtweg falsch. Die aggressive Reaktion zeigt, wie gefährlich Clarkes Anschuldigungen Bush werden können. Das bestätigte auch Cheney: "Das könnte eine der wichtigsten Präsidentschaftswahlen überhaupt sein, weil dabei entschieden wird, wie wir unser Land gegen den Terror verteidigen."

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