Streit um blinden Dissidenten:USA rechnen mit "zügiger" Ausreise Chens

Der chinesische Bürgerrechtlicher Chen darf China verlassen: Die Regierung in Peking werde ihm ohne Verzögerung Reisedokumente ausstellen. US-Außenministerin Clinton zufolge sei Chen ein Stipendium an einer amerikanischen Universität angeboten worden. Sie sprach von "ermutigenden Fortschritten".

Christoph Giesen und Reymer Klüver, Washington

Im diplomatischen Ringen um den blinden Dissidenten Chen Guangcheng zeichnet sich zwischen den USA und China eine Einigung ab. Das chinesische Außenministerium teilte am Freitag mit, dass Chen sich für ein Studium im Ausland bewerben könne. Das amerikanische Außenministerium rechnet mit einer "zügigen" Ausreise Chens.

Chen Guangcheng, Gary Locke

Chen Guangcheng zusammen mit dem US-Botschafter in Peking, Gary Locke: Der blinde Dissident darf China nach Angaben der USA verlassen.

(Foto: AP)

Clintons Sprecherin Victoria Nuland sagte am Freitag, dass Chen ein Stipendium einer amerikanischen Universität angeboten worden sei. Es dürfte sich um die angesehene New York University handeln. Er könne seine Frau und seine beiden Kinder mitnehmen, sagte Nuland weiter. Sobald er von den chinesischen Behörden einen Pass erhalten habe, werde die US-Botschaft ihm "zügig" Reisedokumente ausstellen.

Die Führung in Peking hatte dem Bürgerrechtler zuvor freigestellt, einen Antrag für ein Studium im Ausland zu stellen. Wenn Chen das wolle, könne er "wie die anderen chinesischen Bürger" einen Antrag bei den zuständigen Behörden stellen, hieß es am Freitag in einer Erklärung des chinesischen Außenministeriums. Daraufhin hatte Clinton von "ermutigenden Fortschritten" gesprochen.

Chinesen schotteten Chen ab

Chen, 40, war Ende April aus seinem Hausarrest in der Provinz Shandong geflohen, wobei er sich schwer am Fuß verletzt hatte. Sechs Tage lang hielt er sich danach in der US-Botschaft in Peking auf. Anschließend war er, wie US-Diplomaten betonen, freiwillig in ein Pekinger Krankenhaus gebracht worden, fühlte sich aber seither massiv bedroht.

Tatsächlich haben die chinesischen Behörden die US-Diplomaten vorgeführt. Offenbar entgegen allen Zusagen schotteten sie Chen von den Amerikanern ab und verweigerten ihnen zunächst den Zutritt zum Krankenhaus. Zudem verlangten sie offiziell eine Entschuldigung von den USA für die Aufnahme des Dissidenten in die Botschaft und eine Zusicherung, dass sich dergleichen nicht wiederholen werde. Die chinesischen Medien berichteten nicht über den Fall.

Am Mittwoch hatte Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua lediglich zwei knappe Meldungen verschickt, die Chens Aufenthalt in der US-Botschaft bestätigten und den USA vorwarfen, sich in Chinas innere Angelegenheiten eingemischt zu haben. Chen gelang es indes trotz seiner offenkundigen Bewachung im Krankenhaus, Interviews zu führen, unter anderem mit dem US-Sender CNN. Darin berichtete er, dass seine Frau von der chinesischen Staatssicherheit verfolgt und per Videokamera gefilmt worden sei.

Bei den Verhandlungen mit Außenministerin Clinton und Finanzminister Timothy Geithner machte die chinesische Regierung derweil den USA Zugeständnisse in Wirtschaftsfragen. Fortan sei es Ausländern erlaubt, größere Anteile an chinesischen Sicherheitsunternehmen zu besitzen, berichten Mitglieder der US-Delegation. Zudem sollen auch der Markt für Autoversicherungen geöffnet und staatliche Exportkredite reguliert werden.

In Washington kritisierte die republikanische Opposition das Vorgehen der Regierung heftig. Der Vorsitzende eines Sonderausschusses für China im Kongress, der Republikaner Chris Smith, will nun untersuchen lassen, ob US-Diplomaten Chen genötigt haben, die amerikanische Botschaft zu verlassen. Präsidentschaftskandidat Mitt Romney sprach von einem "Tag der Schande" für die Obama-Regierung.

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