Streit über Umweltbelastung durch Dieselfahrzeuge:Schröder besänftigt die Automobilindustrie

Kanzler lehnt steuerliche Förderung von Rußfiltern vorerst ab / EU-Kommission soll neue Abgasnorm entwickeln

Von Robert Jacobi und Karl-Heinz Büschemann

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) lehnt einen deutschen Alleingang bei der steuerlichen Förderung schadstoffarmer Fahrzeuge ab. Bei einem Spitzengespräch besänftigte Schröder damit die Spitzenmanager der Automobil-Industrie, die angesichts der Gesetzespläne von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) vor Wettbewerbsnachteilen gewarnt hatten.

Schröder forderte die EU-Kommission auf, bis Jahresende mit der Industrie eine neue Abgasrichtlinie zu entwickeln. Auf dieser Grundlage könnten die Bundesländer, denen die Kraftfahrzeugsteuer zusteht, über die weitere Förderung entscheiden.

Bei dem Spitzengespräch verständigten sich Regierung und Branchenvertreter darauf, zunächst die neue Abgasrichtlinie der Kommission abzuwarten, die bis Jahresende vorliegen müsse. An der Entwicklung dieser Norm soll die Industrie beteiligt werden, sagte Schröder.

Da die Kraftfahrzeugsteuer eine Ländersteuer sei, sollten anschließend die Bundesländer im Bundesrat entscheiden, wie genau schadstoffarme Fahrzeuge künftig gefördert werden. Die Chancen für Trittins Entwurf sind damit gesunken.

Politiker der Grünen und Umweltverbände nutzten den Termin im Kanzleramt, um auf die Förderung der Rußfilter zu dringen. Deren Einsatz ist in der Industrie umstritten. Umweltminister Trittin hatte einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem Autofahrer vom kommenden Jahr an steuerlich belohnt werden, wenn sie ein Diesel-Fahrzeug mit Rußfilter kaufen oder nachrüsten.

Ein Sprecher Trittins sagte, solche Filter könnten den Ausstoß von Ruß- und Staubpartikeln um 99Prozent reduzieren. Bundeskanzler Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) neigen zur Position der Auto-Industrie. Demnach soll die Politik zwar bestimmte Abgas-Grenzwerte vorschreiben, aber der Industrie überlassen, wie sie diese Werte erreicht - sei es über Filter oder mit technischen Verfeinerungen in den Motoren.

Weniger Neuzulassungen

Die Umweltorganisation Greenpeace und andere Verbände hatten der Industrie und besonders Volkswagen vor dem Termin vorgeworfen, die Entwicklung und den Einbau von Rußfiltern und andere Schutzmaßnahmen bewusst zu verzögern.

Die Organisationen weisen auf eine krebserregende Wirkung der Rußpartikel hin. "Es ist wichtig, die Interessen der Industrie im Blick zu haben", entgegnete Regierungssprecher Bela Anda. Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland hänge von der Auto-Industrie ab. Clement sagte, in der jetzigen Wirtschaftslage dürften die deutschen Autohersteller nicht zusätzlich belastet werden.

An dem Treffen beim Kanzler nahmen weder Clement noch Trittin teil. Zustande gekommen war es auf Wunsch des Verbands der europäischen Automobilindustrie (ACEA). Dessen Präsident Bernd Pischetsrieder ist hauptberuflich Vorstandsvorsitzender bei Volkswagen. Außer Pischetsrieder kamen unter anderen Lewis Booth, Vorstands-Vorsitzender von Ford-Europa, und Leif Östling, Chef des schwedischen Lkw-Herstellers Scania.

Pischetsrieder versuchte, den Eindruck zu erwecken, bei dem Gespräch mit dem Bundeskanzler sei es um mehr gegangen als um den Einbau von Dieselfiltern. Schon am vergangenen Dienstag war er in ähnlicher Besetzung bei EU-Kommissionspräsident Romano Prodi in Brüssel. "Die im Verhältnis zu anderen Weltregionen bestehende Überregulierung der europäischen Auto-Industrie muss abgebaut werden", sagte ein Mitarbeiter des Volkswagen-Chefs.

Weitere Themen des Spitzentreffens waren neben den hohen Ölpreisen und den Schadstoffen auch der Streit über den Markenschutz bei teuren Ersatzteilen und Verbesserungen beim Schutz von Fußgängern. Die Debatte um ein Tempolimit auf Autobahnen wollte Schröder nicht auf die Tagesordnung nehmen. "Das Tempolimit ist für die Regierung kein Thema und wird auch kein Thema sein", sagte Regierungssprecher Anda.

Kurz vor dem Termin meldete der deutsche Verband der Automobil-Industrie, dass die Neuzulassungen von Personenkraftwagen und Kombis im Mai um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen seien. Der Verband erklärte dies mit den Benzinpreisen und den Diskussionen um Mehrwertsteuer und Pkw-Maut. Von Januar bis Mai wurden in Deutschland 1,34 Millionen Fahrzeuge neu zugelassen, drei Prozent weniger als im Vorjahr.

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