Streit über Russland-Reise:Schulz warnt Tsipras

  • EU-Parlamentspräsident Schulz (SPD) warnt den griechischen Premier Tsipras vor seiner Russland-Reise davor, mit einer Annäherung an Moskau seine europäischen Partner "zu verprellen".
  • CDU-Politiker Krichbaum rät den Griechen, sich an Brüssel statt an Moskau zu orientieren.
  • SPD-Chef Gabriel bezweifelt, dass Griechenland der EU den Rücken zukehren wolle.
  • Linken-Politikerin Zimmer vermutet hinter Tsipras' Russland-Reise legitime agrarwirtschaftliche Interessen.

Schulz' Appell an Tsipras

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hat vor der Reise des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras nach Russland vor einer Spaltung der EU gewarnt. Schulz forderte Tsipras in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung auf, seine europäischen Partner nicht "zu verprellen". Mit seiner Reformliste und seinem Besuch in Berlin habe Tsipras begonnen, wieder Verlässlichkeit und Vertrauen zu schaffen. Es sei aber "nicht akzeptabel", wenn er nun damit spekuliere, dass als Gegenleistung für russische Hilfe "die einheitliche Haltung Europas etwa in der Russland-Politik aufs Spiel gesetzt wird". Tsipras reist am kommenden Mittwoch nach Moskau.

CDU-Politiker fordert Orientierung an Brüssel

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Bundestags-Europaausschusses, Gunther Krichbaum (CDU). Wenn die griechische Regierung glaube, ihr "Seelenheil" nun in Moskau finden zu können, dann setzte sie "aufs falsche Pferd", sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Wie Moskau mit europäischen Werten wie Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit umgehe, zeige sich schon am Umgang mit der eigenen Opposition, aber auch am Ukraine-Konflikt. "Wer deshalb weiterhin europäische Hilfen möchte, dessen Kompass muss nach Brüssel zeigen und nicht nach Moskau", verlangte der CDU-Politiker.

Gabriel gelassen

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sieht die Gespräche zwischen Griechenland und Russland dagegen gelassen: "Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendjemand in Athen wirklich ernsthaft mit dem Gedanken spielt, Europa den Rücken zuzukehren und sich Moskau in die Arme zu werfen", sagte er der Rheinischen Post. Darin wiederholte Gabriel seinen Vorschlag, die Konten griechischer Steuerhinterzieher EU-weit zu sperren. Das entsprechende Angebot an den griechischen Ministerpräsidenten stehe, die griechischen Finanzbehörden müssten dafür aber "schon selbst tätig werden". Voraussetzung für weitere Hilfe von der EU sei, dass Athen die bisher getroffenen Reformvereinbarungen akzeptiere. Mit den "Spielchen", die die neue griechische Regierung seit Wochen treibe, müsse "jetzt endlich mal Schluss" sein.

Die griechische Regierung sucht zurzeit engere Beziehungen zu Russland. Abgesehen von der am Mittwoch anstehenden Moskau-Reise hat Tsipras seine Teilnahme an den Feierlichkeiten am 9 Mai zum 70. Jahrestag des Kriegsendes in der russischen Hauptstadt zugesagt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der britische Premierminister David Cameron und Frankreichs Staatschefs François Hollande sagten angesichts der Ukraine-Krise dagegen ab.

Linken-Fraktionschefin Zimmer verteidigt Russland-Reise

Die Fraktionschefin der Linken im Europaparlament, Gabi Zimmer, verteidigt die Reise des griechischen Premiers. "Es geht nicht darum, die EU und Russland gegeneinander auszuspielen", sagte Zimmer in Brüssel. Athen strebe insbesondere an, dass Russland seinen Einfuhrstopp für westliche Agrarprodukte lockere. "Griechenland hat ein riesiges Interesse daran, dass die landwirtschaftlichen Produkte eingeführt werden können. Das sind normale Verhandlungen", sagte sie.

Moskau blockiert als Antwort auf Sanktionen in der Ukraine-Krise die Einfuhr zahlreicher westlicher Lebensmittel.

Zimmer hält die griechische Regierung in den Verhandlungen mit den Geldgebern über ein Reformpaket für einigungsbereit. In künftigen Verhandlungen über ein neues Hilfspaket werde die Regierung versuchen, "ihr Konzept, mit dem sie zu den Wahlen angetreten ist, noch viel stärker durchzusetzen", prognostizierte Zimmer. Beim Einhalten von Wahlversprechen gehe es vor allem darum, der Bevölkerung zusätzliche Opfer zu ersparen. Laut unbestätigten Spekulationen könnte das neue Paket einen Umfang von 30 bis 50 Milliarden Euro haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: