Streit über Anti-Terror-Pläne:"Schäuble ist ein Überzeugungstäter"

Die Grünen haben im Streit über die Vorschläge des Bundesinnenministers zur Terrorbekämpfung nochmals nachgelegt und Schäuble scharf angegriffen. Die SPD schlägt dagegen plötzlich moderatere Töne an.

Die Grünen haben Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wegen seiner Anti-Terror-Pläne erneut scharf angegriffen. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte am Montag in Berlin, es sei unglaubwürdig, wenn Schäuble sich als "missverstandene Mimose" gebe. Der CDU-Politiker sei ein "Überzeugungstäter", der den Rechtsstaat in einen Präventionsstaat verwandeln wolle.

Streit über Anti-Terror-Pläne: Weitzerhin im Kreuzfeuer der Kritik: Innenminister Schäuble

Weitzerhin im Kreuzfeuer der Kritik: Innenminister Schäuble

(Foto: Foto: dpa)

Roth sagte nach der Sitzung der Parteigremien, es spreche für Bundespräsident Horst Köhler, dass er Inhalt und Stil Schäubles deutlich kritisierte. Demgegenüber falle das "laute Schweigen" von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf. Die Grünen-Chefin kritisierte auch SPD-Politiker in der großen Koalition, die "ein Stück weit auf Schäubles Strategie reinfallen".

Für Schäuble "reduziert sich Freiheit auf die Freiheit, jedes Mittel im Kampf gegen den Terrorismus anwenden zu dürfen", sagte Roth. Der CDU-Politiker sei aber auch Verfassungsminister und müsse die Verfassung des Rechtsstaates schützen. Roth nannte Schäuble einen "Stimmungsmacher", der Panik in der Bevölkerung vor Terroranschlägen schüre.

Chance auf Bewährung

Die SPD-Spitze schlägt indes sanftere Töne an. Nach ersten Rücktrittsforderungen aus der SPD gibt die Parteispitze dem Bundesinnenminister noch eine Chance auf Bewährung. Schäuble bemühe sich angesichts der deutlichen Kritik von Bundespräsident Horst Köhler, von seinen unglaublichen und wilden Vorschlägen zum Anti-Terror-Kampf wieder abzurücken, sagte Generalsekretär Hubertus Heil am Montag in Berlin nach einer Telefonkonferenz des SPD-Präsidiums. "Wenn das ein Schlusspunkt sein kann, um zu sachlicher Diskussion in der Koalition zurückzukehren, können wir das nur begrüßen. Aber man muss abwarten."

Schäuble hatte am Sonntag in der ARD gesagt, er fühle sich missverstanden. Er habe lediglich darauf hingewiesen, dass die internationale Rechtslage nicht mehr angemessen sei. Niemand wolle eine gesetzliche Regelung zum Abschuss von Terrorverdächtigen. "Ich schon gar nicht." Mit Ausnahme des hypothetischen Falls, dass El-Kaida-Chef Osama bin Laden in Afghanistan durch eine ferngesteuerte Rakete getötet werden könnte, habe der Minister "zu keinem Zeitpunkt" Forderungen nach einer gezielten Tötung von Terroristen oder Terrorverdächtigen erhoben, erklärte zudem das Bundesinnenministerium.

SPD kritisiert indirekt Merkels Schweigen

Köhlers klärende Worte seien eine Wohltat, betonte Heil. Es sei nun offensichtlich, dass Schäuble die Debatte um eine härtere Gangart im Anti-Terror-Kampf aus taktischen Gründen angestoßen habe und nicht aus inhaltlichen. Wenn er nun zu sachlicher Arbeit zurückkehre, sei das gut. "Das muss man allerdings abwarten, weil Herr Schäuble sich alle Tage auch wieder anders äußert." Heil deutete an, dass die SPD sich auch ein Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel gewünscht hätte. Merkel hatte sich in der Debatte lediglich mit dem Hinweis zu Wort gemeldet, es dürfe keine Denkverbote geben. Heil ließ dies aber nicht gelten: Das Grundgesetz sehe sehr wohl Tabus vor - wie etwa die Todesstrafe.

Die SPD forderte Schäuble auf, das zur Terrorbekämpfung notwendige BKA-Gesetz nicht länger zu verzögern. Der Minister blockiere das Gesetzesvorhaben seit Wochen, weil er immer wieder mit neuen Forderungen draufsattele, sagte Heil. Fraktionschef Peter Struck warf Schäuble vor, den Rechtsstaat anzugreifen statt ihn zu schützen. Die Freiheit dürfe nicht durch einen Überwachungsstaat abgeschafft werden.

Auch CDU-Vize Wulff kritisierte das Vorgehen seines Parteifreundes. "Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten das Thema vorher innerhalb der CDU anhand einer ausformulierten Vorlage von Wolfgang Schäuble diskutieren können", sagte er der "Bild"-Zeitung. Wulff lehnte das gezielte Töten mutmaßlicher Terroristen kategorisch ab, weil das mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar sei. Eine Debatte darüber sei unverantwortlich. Schäuble habe dies aber auch weder gesagt noch gemeint.

Versachlichung der Diskussion

CSU-Chef Edmund Stoiber forderte den Koalitionspartner SPD auf, zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Schäuble zurückzukehren. Die Koalition solle jetzt "sachlich und ruhig" die verschiedenen Vorschläge bewerten und sich auch an den Standards orientieren, die es in anderen europäischen Ländern gebe. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte im ZDF: "Die Kritik an Wolfgang Schäuble ist überzogen." Wer Schäuble kenne, wisse, dass er ein Mann des Rechtsstaates sei. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sprach im NDR von "maßlos überzogener" Kritik an Schäuble.

Die FDP warf Schäuble vor, er agiere wie Politiker in den USA. Nach derselben Methode, mit der der Minister "jede kleinste Abweichung von seinem eigenen Gesellschaftsbild zur akuten Terrorgefahr erklären will", würde US-Präsident George W. Bush den Irak-Krieg führen, sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel den "Ruhr Nachrichten". Die Innenexpertin der Linksfraktion, Petra Pau, sprach von einem "Kreuzzug gegen das Grundgesetz". Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn rief die Kanzlerin im Sender N24 auf, dem "Treiben" von Schäuble ein Ende zu bereiten.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) forderte eine Versachlichung der Diskussion. "Die Vorschläge von Minister Schäuble sind in Wahrheit nichts Neues und bewegen sich alle auf dem Boden unserer Verfassung", sagte DPolG-Vizechef Rainer Wendt auf N24.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: