Streit in der Realo-Fraktion:Grüne Grüppchen

Wahlkampf Bündnis 90/Die Grünen

Katrin Göring-Eckardt will trotz Wahlschlappe Fraktionschefin im Bundestag werden.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Nach dem verkorksten Wahlkampf müsste sich eigentlich der linke Flügel der Öko-Partei zerfleischen. Stattdessen tobt der Machtkampf bei den Realos. Es geht um den Platz an der Fraktionsspitze. Noch hoffen sie alle, dass nur eine Kandidatin antritt - und eine verzichtet.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Katrin Göring-Eckardt, 47, sagt: "Es geht darum, Konsequenzen zu ziehen, ohne alles über Bord zu werfen." Es gehe "wirklich um viel" beim Klimaschutz. "Und es geht nicht ohne Gerechtigkeit."

Kerstin Andreae, 44, sagt: "Für unser Kernthema Klimaschutz und Energiewende brauchen wir den Brückenschlag zu den Unternehmen." Hier sei "Vertrauen verloren gegangen".

Zwei Kandidatinnen, zwei Antworten auf eine Frage: Warum sollten Sie Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion werden?

Die eine, Göring-Eckardt, betont ein bisschen mehr die Gerechtigkeit, die andere, Andreae, die Nähe zur Wirtschaft. Die eine, Spitzenkandidatin im Wahlkampf, ist die Erfahrenere, sie war zu rot-grünen Regierungszeiten schon mal Fraktionschefin. Die andere, bislang stellvertretende Fraktionsvorsitzende, trägt weniger offensichtlich Verantwortung für die Wahlniederlage. Am Dienstag dürfte die Fraktion eine von ihnen zur Vorsitzenden wählen, so weit, so gut. Doch bei den Grünen ist derzeit nicht nur die Konkurrenz zweier Frauen um ein Amt zu besichtigen, sondern die Selbstdemontage des Realo-Flügels.

Es ist eine kuriose Situation: Alle Welt schüttelt den Kopf über den vermeintlich viel zu linken Wahlkampf der Grünen, die an ihren Umverteilungsplänen gescheitert seien. Entsprechend in der Defensive müsste eigentlich der linke Flügel sein. Der aber regelte innerhalb weniger Tage mit beinahe kadermäßiger Disziplin seine wichtigsten Personalangelegenheiten: Jürgen Trittin tritt als Fraktionschef ab, ihm soll auf dem für die Linken reservierten Platz in der Doppelspitze der Verkehrsexperte Anton Hofreiter folgen. Claudia Roth macht den Linken-Platz an der Parteispitze frei, Nachfolgerin soll die ehemalige saarländische Umweltministerin Simone Peter werden. Auch für die Plätze dahinter haben die Linken schon ihre Kandidaten.

Zwar hakt und knirscht es da auch bei ihnen mal, aber im Großen und Ganzen können sie entspannt zuschauen, wie die Realos sich zerlegen - wenn auch nicht überall: Für den Platz an der Parteispitze ist Cem Özdemir ihr bislang unangefochtener Kandidat, der Bundesvorsitzende will wieder antreten. Glücklich sind damit längst nicht alle, doch es fehlt ein überzeugender Gegenkandidat. Und unter den Realos in der Fraktion geht es drunter und drüber.

Am vergangenen Montag sollte es ein Treffen der Fraktions-Realos geben, Andreaes Unterstützer wollten eine Probeabstimmung durchsetzen. Am Montagmorgen wurde das Treffen abgesagt - es seien zu viele abwesend, so die (recht plausible) Begründung. Nun soll es am kommenden Montag ein Treffen geben, allerdings ist es derzeit nicht sehr wahrscheinlich, dass es dort zur Probeabstimmung kommt. Mehrere Abgeordnete haben bereits gedroht, im Fall einer Abstimmung den Raum zu verlassen. Es wäre der endgültige Eklat.

Göring-Eckardt ist ohnehin entschlossen, sich auch dann in der Fraktion zur Wahl zu stellen, wenn sie eine Abstimmung bei den Realos verlieren sollte. Andreae hingegen sagt, sie würde sich einem Votum des Flügels beugen. Die Motivlage dahinter: Sollten beide Kandidatinnen am Dienstag vor der Fraktion gegeneinander antreten, könnte Göring-Eckardt auf Stimmen auch vom linken Flügel hoffen. Dem steht sie mit ihren sozialpolitischen Vorstellungen deutlich näher als Andreae, die dort als zu wirtschaftsliberal gilt.

Käme es zur Kampfkandidatur in der Fraktion, entschiede also faktisch auch der linke Flügel darüber, wer den Realo-Platz an der Spitze besetzt. Die Realo-Koordinatorin Priska Hinz sagt: "Wir sollten uns am Montagabend auf eine Kandidatin einigen, auf welche Weise auch immer." Gelingt das nicht, wäre der Realo-Flügel mindestens geschwächt - oder gespalten?

Göring-Eckardt sagt: "Die Realos sind zum Glück keine homogene Gruppe, und wir leben auch von dieser Verschiedenheit." Andreae sagt: "Meine Kandidatur führt nicht zu einer Spaltung. Auch die Realos müssen entscheiden, in welche politische Richtung sie gehen wollen."

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