Streit in der Koalition:Schwarz-gelbe Politiker verurteilen Pofallas Pöbeleien

"Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen": Der Merkel-Vertraute Pofalla soll einen der sogenannten Euro-Rebellen heftig beschimpft haben und gerät nun in die Kritik. Abgeordnete aus CDU und FDP sprechen von Mobbing - und stellen Pofallas Eignung als Kanzleramtsminister infrage.

Bei der Debatte um die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms erreichte Angela Merkel diese Woche die Kanzlermehrheit - trotz aller vorherigen Zweifel und Befürchtungen. Doch die Diskussionen um die Zukunft Europas sind damit nicht erledigt. Die Koalition streitet munter weiter, und zu allen inhaltlichen Streitigkeiten kommt nun auch ein massiver atmosphärischer Konflikt.

Heftige Kritik aus schwarz-gelber Koalition an Pofallas Verhalten

An Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) gibt es heftige Kritik aus den eigenen Reihen.

(Foto: dapd)

Denn einer von Merkels wichtigsten Vertrauten, Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), soll gegenüber dem Parteilinien-Abweichler Wolfgang Bosbach ziemlich ausfallend geworden sein. Wie Spiegel Online und Welt Online berichten, habe Pofalla seinen Parteikollegen nach einer Sitzung der nordrhein-westfälischen Landesgruppe abgefangen. Sätze wie "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen" und "Du redest ja doch nur Scheiße" sollen gefallen sein.

Bosbach selbst wollte sich zu dem Vorfall konkret nicht äußern. "Ich habe mich mit Ronald Pofalla ausgesprochen und damit ist die Sache für mich erledigt", sagte er. Doch andere schwarz-gelben Politiker kritisierten dieses Verhalten sehr.

"Das ist keine Art und Weise mit verdienten Fraktionsmitgliedern umzugehen. Es darf nicht sein, dass wir Kollegen mobben oder sogar beschimpfen, wenn sie eine andere Meinung haben und auch dazu stehen", sagte die Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Menschenrechte im Bundestag, Erika Steinbach (CDU), der Bild am Sonntag. Das schadet der Demokratie in unserem Land."

Der FDP-Abgeordnete Erwin Lotter bezweifelte sogar Pofallas Fähigkeiten als Regierungskoordinator: "Mit seinen Ausrastern vergiftet Herr Pofalla nicht nur das politische Klima in seiner eigenen Fraktion, sondern in der gesamten schwarz-gelben Koalition. Das stellt seine Eignung als Kanzleramtsminister in Frage."

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer ging zwar nicht konkret auf den Vorfall ein, zeigte aber in einem Interview mit der Welt am Sonntag explizit Verständnis für die sogenannten Euro-Rebellen. Der bayerische Ministerpräsident sagte, für ihn sei es immer eine Selbstverständlichkeit gewesen, "dass eine große Volkspartei eine Bandbreite an Positionen aushalten muss".

Dobrindt für Griechenland-Rauswurf

Auch inhhaltich zoffen sich CDU, CSU und FDP weiter. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte im Deutschlandfunk weitere Sanierungsanstrengungen in Europa, um ein Übergreifen der Schuldenkrise zu verhindern. Eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa beispielsweise über Eurobonds lehnte der CSU-Politiker ab. "Oberstes Ziel muss sein, dass jeder für seine Schulden selber zuständig ist."

Vor Abstimmung über Erweiterung des Euro-Rettungsschirms

Mehr EU - oder weniger? Die Regierungskoalition streitet über den künftigen Kurs in der Europapolitik.

(Foto: dpa)

Dobrindt sprach sich zudem für den Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone aus. "Ich glaube, dass es eine Lösung ist, wenn man Griechenland wieder in eine wirtschaftliche, stabile Konkurrenzfähigkeit bringen will, dass man dies auch außerhalb der Euro-Zone macht", sagt er. Wenn die Bemühungen in Griechenland im Rahmen des Euro-Rettungsfonds EFSF nicht erfolgreich seien oder nicht konsequent umgesetzt würden, dann müsse "der EFSF es eben leisten können, den Ausschluss zu organisieren".

Innenminister Hand-Peter Friedrich (CSU) warnte vor mehr europäischem Zentralismus. "Wer aus der Schuldenkrise den Schluss zieht, dass der europäische Zentralismus jetzt noch verstärkt werden muss, macht sich auf den völlig falschen Weg", sagte er dem Spiegel. Der wachsenden Euro-Skepsis könne man "nicht dadurch begegnen, dass die durch das Volk gewählten nationalen Parlamente und Regierungen noch weiter entmachtet werden".

Auch Seehofer wandte sich strikt gegen weitere erhebliche Kompetenzverlagerungen nach Brüssel. "Wir als Bayern sind bereit mitzutragen, was gemeinsam beschlossen wurde", sagte er der Welt am Sonntag. "Aber den Weg zu Vereinigten Staaten von Europa werden wir nicht einschlagen", sagte der bayerische Ministerpräsident.

Ganz anders sieht hingegen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den künftigen Weg der EU: "Die Antwort auf die Krise kann nur ein Mehr an Europa bedeuten", schrieb er in einem Beitrag für die Welt am Sonntag. Ohne begrenzte, aber zielgerichtete weitere Schritte im Sinne einer Vertiefung der europäischen Institutionen würde die Politik auf Dauer die "europäische Handlungsfähigkeit" verlieren. Am Ende dieses Prozesses werde die politische Union stehen.

Unterstützung erhielt er dafür von der FDP. Der Fraktionschef der Liberalen im Bundestag, Rainer Brüderle, lobte Schäuble als "ehrenwerten Politiker, der mit viel Umsicht und politischem Weitblick die europäische Sache vorantreibt". Dabei habe der Minister "die FDP an seiner Seite", sagte Brüderle dem Tagesspiegel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: