Streit bei der Linken:Geburtstagsgrüße für Genosse Fidel

Die Linken-Vorsitzenden Lötzsch und Ernst preisen in einem Glückwunschschreiben das sozialistische Kuba und Fidel Castros "für Lateinamerika beispiellose soziale Errungenschaften". Nicht nur Gegner, auch Parteifreunde sind empört - schließlich geht es bei den Wahlen in Berlin bald um Alles.

Peter Blechschmidt, Berlin

Wenn die Ko-Vorsitzende der Linkspartei Gesine Lötzsch zur Vergangenheitsbewältigung ausholt, gehen bei einem Teil ihrer Genossen die Alarmanlagen los. Den neuesten Aufreger stellt nach der Debatte um die Wiederbelebung des Kommunismus und nach Versuchen zur Rechtfertigung des Mauerbaus jetzt ein Glückwunschschreiben dar, das Lötzsch zusammen mit ihrem Vorsitzenden-Kollegen Klaus Ernst an den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro geschickt hat.

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Es scheint, als würde die Doppelspitze der Linken kein Fettnäpfchen auslassen: Nach umstrittenen Äußerungen zu Kommunismus und Mauerbau sorgt nun ein Geburtstagsglückwunsch für Ärger.

(Foto: dpa)

Darin preisen Lötzsch und Ernst die "Errungenschaften des sozialistischen Kuba", dank derer die Insel zum "Beispiel und Orientierungspunkt für viele Völker der Welt" geworden sei. Voller Stolz könne Castro "auf ein kampferfülltes Leben und erfolgreiches Wirken an der Spitze der kubanischen Revolution zurückblicken". Von fehlender Demokratie und Verletzungen der Menschenrechte auf der Karibik-Insel ist in dem Brief nicht die Rede.

Das Schreiben zum 85. Geburtstag Castros am 13. August ist auf der Internetseite der kubanischen Botschaft in Berlin nachzulesen. Darin heißt es, die Revolution unter seiner Führung, die Anfang 1959 zur Machtübernahme Castros in Havanna führte, habe dem kubanischen Volk "für Lateinamerika beispiellose soziale Errungenschaften in Bildung, Wissenschaft und Kultur, im Gesundheitswesen und Sport und in vielen weiteren Bereichen gebracht".

Durch Kuba inspiriert hätten zahlreiche Völker Lateinamerikas und der Karibik ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und gingen nun einen Weg, der ihren eigenen Interessen und nicht denen des internationalen Kapitals entspreche. Auch auf diese Entwicklung könne Castro stolz sein. Das Führungsduo der Linken lobt Castro dafür, dass er "Erfahrungen und politische Weitsicht auch weiterhin den neuen Generationen politischer Aktivisten zur Verfügung" stelle. "Mit solidarischen Grüßen" wünschen Lötzsch und Ernst dem Revolutionsführer "beste Gesundheit, Schaffenskraft und schöpferische Energie für Deine weitere Arbeit".

In Teilen der Linken löste der Brief am Wochenende Unverständnis und Empörung aus. "Mir steht es bis hier oben", sagte der Vorsitzende der Berliner Linken, Klaus Lederer, dem Tagesspiegel am Sonntag. In vier Wochen wird in der Hauptstadt das Abgeordnetenhaus neu gewählt, und die Linkspartei kämpft dort um den Erhalt ihrer Regierungsbeteiligung. "Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier einige ihre sektenmäßigen Rechnungen auf dem Rücken der wahlkämpfenden Landesverbände austragen wollen", erregte sich Lederer.

"Etwas gestrige" Wortwahl

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, ging etwas vorsichtiger auf Distanz zu den beiden Parteichefs. Auch er betonte die "großen Verdienste" Castros um die Bekämpfung der Armut und die Verbesserung des Bildungs- und des Gesundheitswesens auf Kuba. Gleichzeitig mahnte Gysi aber politische Reformen an. "Wir brauchen endlich Demokratie in Kuba. Davon sind wir noch weit entfernt", sagte Gysi.

Den Brief der beiden Parteichefs wollte Gysi nicht kommentieren. Er versuchte lediglich, die Wogen ein bisschen zu glätten. Ob man die Defizite bei Demokratie und Menschenrechten ausgerechnet in einem Glückwunschschreiben "an einen alten Mann" erwähnen müsse, lasse er mal dahingestellt, sagte Gysi.

In Kreisen der Fraktion hieß es, vielleicht hätte man besser darauf verzichtet, den Brief zu schreiben. Auch die Wortwahl von Lötzsch und Ernst wurde als "etwas gestrig" kritisiert. Die Tonlage erinnere sehr an alte DDR-Zeiten.

Die politischen Gegner, aber auch ehemalige DDR-Bürgerrechtler werteten den Brief an Castro als Beleg, dass Teile der Linken mit ihrer SED-Vergangenheit nicht gebrochen hätten. In den Landtagswahlkämpfen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern dürfte er die Position der Linken weiter erschweren. Dort hat Lötzsch schon mit ihren Äußerungen zur Errichtung der Berliner Mauer vor 50 Jahren für Unmut gesorgt. Lötzsch hatte den Mauerbau als Folge des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion und des Zweiten Weltkriegs dargestellt. Obwohl sie das dementierte, war dies vielfach so verstanden worden, als habe sie damit den Mauerbau entschuldigen wollen.

Natürlich hänge die deutsche Spaltung mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion zusammen, sagte Fraktionschef Gysi dazu dem Tagesspiegel am Sonntag. "Klar, Geschichte folgt aus Geschichte. Das hilft uns aber nicht weiter." "Nur ein paar wenige Gestrige und Vorgestrige halten den Mauerbau für alternativlos," sagte Gysi. "Es hilft nichts, die Mauer war nun mal Mist."

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