Streiks:Das Risiko der Fluglinien

Eine Gewerkschaft muss Konzernen keinen Schadenersatz für ihre Streiks bezahlen.

Von Detlef Esslinger

Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) muss den Fluggesellschaften keinen Schadenersatz dafür zahlen, dass ihre Mitglieder vor einigen Jahren die Flugsicherung bestreikt haben. Das hat das Bundesarbeitsgericht am Dienstag in Erfurt entschieden. Es bestätigte damit die Rechtsprechung der unteren Instanzen. Bereits vor dem Arbeitsgericht Frankfurt und dem Hessischen Landesarbeitsgericht waren die Fluglinien mit ihren Klagen gescheitert.

Das Gericht hatte sich am Dienstag in zwei getrennten, aber zusammenhängenden Verhandlungen mit Klagen gegen die Gewerkschaft zu befassen. Im ersten Verfahren waren vier Fluggesellschaften die Kläger: Lufthansa, deren Tochter Germanwings, Air Berlin und Tuifly. Es ging um einen Streik im Jahr 2009 am Flughafen Stuttgart. Damals stritten die GdF und der Flughafen um einen Tarifvertrag für die 23 Vorfeldlotsen. Weil die Verhandlungen nicht vorankamen und auch ein Streik der Vorfeldlotsen im März 2009 nichts brachte, rief die GdF im April die Fluglotsen im Stuttgarter Tower zu einem sechsstündigen Unterstützungsstreik auf. 36 Flüge fielen aus, weshalb die drei Fluggesellschaften die Gewerkschaft auf 35 000 Euro Schadenersatz verklagten: Es überschreite die Grenzen des im Arbeitskampf Zulässigen, den Geschäftsbetrieb unbeteiligter Dritter - der Fluglinien - "lahmzulegen". Sie fanden, die GdF habe damit ihr Eigentum widerrechtlich verletzt.

Die Erfurter Richter folgten dieser Argumentation nicht. Einen Streik in dem damaligen Umfang fanden sie nicht erheblich genug, um darin eine Eigentumsverletzung zu sehen. Auch sei der Streik eindeutig nicht gegen die Fluglinien gerichtet gewesen; unabhängig davon, dass er sich vor allem bei ihnen ausgewirkt habe. Die Richter bewerteten die Flugausfälle also eher als ein Risiko, wie es nun mal zum Geschäftsleben gehört. (Aktenzeichen 1 AZR 754/13)

Im zweiten Verfahren ging es um bedeutend mehr Geld. Hier wurde die GdF von drei Fluggesellschaften verklagt, außer Lufthansa und Air Berlin auch von Ryanair. Sie wollten 3,5 Millionen Euro von der Gewerkschaft erstattet bekommen. Hier ging es um den Tarifkonflikt, den die GdF im Jahr 2011 mit der Deutschen Flugsicherung ausfocht. Eingruppierung und Bezahlung der Fluglotsen mussten neu geregelt werden. Von Februar bis Juni wurde damals verhandelt, und weil es kein Ergebnis gab, rief die GdF für Anfang August zum Streik auf. Zu dem kam es dann zwar nicht, aber trotzdem wollten die drei Fluggesellschaften Schadenersatz von der Gewerkschaft: Zahlreiche Kunden hätten schon wegen der Streikankündigung Buchungen storniert beziehungsweise gar nicht erst vorgenommen. In diesem Verfahren argumentierten die Fluggesellschaften, sie seien von dem Streik viel stärker betroffen gewesen, als es unbeteiligte Dritte normalerweise in Arbeitskämpfen sind. Wenn die Bahn streike und eine Fabrik deshalb später mit Teilen beliefert werde, könne die das nachholen. Ausgefallene Flüge hätten sich jedoch erledigt. Aber nachdem die Firmen bereits in der Stuttgarter Sache gescheitert waren, war im Grunde klar, dass sie es nun erst recht schwer haben würden: Hier gab es ja keinen Streik, sondern nur eine Ankündigung. Der Erste Senat unter Vorsitz von Gerichtspräsidentin Ingrid Schmidt wies ihre Klage ab.

(Aktenzeichen 1 AZR 875/13) Wie öfters beim Bundesarbeitsgericht, so hatten auch die beiden Entscheidungen vom Dienstag eher grundsätzliche Bedeutung als praktische. Den Tarifkonflikt in Stuttgart hatten GdF und Flughafen bereits Ende Mai 2009 für erledigt erklärt. Denn die Vorfeldkontrolle war bereits im April von der Deutschen Flugsicherung übernommen worden, womit die Vorfeldlotsen auch keine Arbeitnehmer des Flughafens mehr waren. In dem zweiten Fall einigten sich GdF und Deutsche Flugsicherung im Oktober 2011 auf einen Tarifabschluss. Derzeit verhandeln beide Seiten übrigens wieder über die Fluglotsen, dem Vernehmen nach dezent in Arbeitsgruppen, und bisher ohne die Androhung von Streiks.

Vorfeldaufsicht am Flughafen Frankfurt

Ein Vorfeldlotse weist ein Flugzeug auf seine Parkposition ein.

(Foto: Frank May/dpa)
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