Streik der Piloten:Keine guten Sitten

Arbeitsgerichte verbieten selten einen Streik. Wenn das dann doch einmal passiert, wie jetzt im Falle der Vereinigung Cockpit, kann es für die Gewerkschaft üble Folgen haben.

Von Detlef Esslinger

Zu ihrem Bedauern müssen die Piloten der Lufthansa nun wieder ihrer Arbeit nachgehen; die für Außenstehende interessante Frage nach der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts ist jedoch: Was bedeutet dieser Spruch für all die Weselskys und Bsirskes in diesem Land?

Die Frankfurter Entscheidung war deshalb eine Überraschung, weil Gewerkschaften es in Deutschland sehr einfach haben, was Streiks betrifft. Sieht man vom Gesetz zur Tarifeinheit ab, das seit Juli in Kraft ist, hat der Gesetzgeber die Materie kaum geregelt, sondern den Arbeitsgerichten überlassen. Und diese erlauben den Gewerkschaften lieber einen Streik zu viel als zu wenig. Das Grundgesetz räumt in Artikel 9 jedermann das Recht ein, "zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden". Es gehört zu den Grundrechten, weshalb es die Arbeitsrichter sehr weit auslegen. Sie überlassen grundsätzlich den Gewerkschaften die Entscheidung, wann sie einen Streik in welchem Umfang für geboten halten. Fast immer lehnen sie Klagen von Arbeitgebern ab, wenn die einen Streik für "unverhältnismäßig" erklärt haben wollen.

Die Justiz erlaubt Gewerkschaften weiterhin viel. Aber nicht alles

Anders gesagt: Eine Gewerkschaft muss sich schon extrem übermütig geben, um vor Gericht zu verlieren - wie jetzt die Vertreter der Vereinigung Cockpit. Sie haben jedem, der sich nicht sofort die Ohren zuhielt, erzählt, dass sie weniger wegen des Geldes der Piloten streiken, sondern wegen des teilweisen Umbaus der Lufthansa in eine Billigfluglinie. Das Problem dabei: Dies ist nichts, was Gegenstand eines Tarifvertrags sein könnte. Und darin liegt der entscheidende Unterschied zu den Streiks von Lokführern und Erziehern. Dort ging und geht es allein um die Regelung von Arbeitsbedingungen. Deshalb hatte GDL-Chef Claus Weselsky vor Gericht nichts zu befürchten; deshalb stellt sich die Frage nach dem Rechtsweg im Fall der Erzieher gar nicht erst.

Die nächste heikle Frage ist, was für eine Gewerkschaft daraus folgt, dass ihr ein Streik untersagt worden ist. Der Vereinigung Cockpit droht eine Schadenersatzklage in Höhe von 60 Millionen Euro. Käme ihr Gegner Lufthansa damit durch, die Gewerkschaft wäre ruiniert. Wer das Risiko abschätzen will, möge ein Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom Dezember 2013 lesen. Es ging um eine Schadenersatzklage des Flughafenbetreibers Fraport gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), wegen eines für rechtswidrig erklärten Streiks im Februar 2012.

Zwar lehnte das Gericht Schadenersatz mit der Begründung ab, die Streiks seien nur rechts-, aber nicht sittenwidrig gewesen. Es führte jedoch aus, wann sie Letzteres gewesen wären: " . . . wenn Zwecke verfolgt werden, die offenkundig nicht dem Kompetenzbereich der Tarifvertragsparteien unterfallen". Genau dabei ist Cockpit erwischt worden. Nächstes Jahr geht der GdF-Fall vor dem Bundesarbeitsgericht in Revision. Auch wenn die Piloten nicht betroffen sind: Sie dürften dem Urteil mit einer gewissen Nervösität entgegensehen.

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