Streik abgewendet:Mit Gruß an die GDL

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Die Bahn einigt sich mit der EVG. Der Tarifabschluss enthält auch Botschaften an die Lokführer.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Als alles erledigt war, nach elf Monaten Verhandlungen, nach Nachtsitzungen und Streikandrohungen, da reichte der Bahnvorstand Ulrich Weber der Verhandlungsführerin der Gegenseite die Hand. Und was sagte Herr Weber? Nur zwei Worte: "Herzlichen Glückwunsch".

So ermattet ist der Bahnkonzern, dass er nach einem Ergebnis "an der Grenze dessen, was möglich ist" (so Weber), die Gewerkschaft noch beglückwünscht. Denn mit dem Ergebnis vom Mittwoch ist für die Bahn nur die kleinere der beiden Baustellen erledigt, wenngleich mit der größeren Gewerkschaft, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG. Die größere Baustelle mit der kleineren Lokführer-Gewerkschaft GDL ist auch nach neun Streikrunden ungelöst, seit Mittwoch läuft dort die Schlichtung - für mindestens drei Wochen.

Dagegen brauchten Bahn und EVG letztlich keine drei Stunden, um ihre Einigung perfekt zu machen. Danach sollen die 100 000 EVG-Beschäftigten bei der Bahn in zwei Stufen insgesamt 5,1 Prozent Lohn bekommen: zum 1. Juli 3,5 Prozent, zum 1. Mai 2016 weitere 1,6 Prozent. Untere Lohngruppen sollen zudem von einer Klausel profitieren, nach der ihr Monatslohn um mindestens 120 Euro anwachsen soll. Hinzu kommt eine Einmalzahlung von 1100 Euro je Beschäftigtem. Das entspricht 100 Euro für jeden Verhandlungsmonat. Der alte Tarifvertrag war Ende Juli vorigen Jahres ausgelaufen. "Das war eine schwere, sehr komplizierte Tarifrunde", sagte Regina Rusch-Ziemba, die für die EVG die Verhandlungen führte. Zwischendurch habe es "Spitz auf Knopf" gestanden, am Ende aber sei das Ergebnis "sehr gut". Auch ihr Verhandlungspartner Weber zeigte sich "froh, auch erleichtert", dass die Verhandlungen nun beendet seien. Noch am Dienstag hatte die EVG mit Streiks gedroht, sollten die Gespräche scheitern.

Ein paar Botschaften an die Lokführer freilich sind in dem Kompromiss auch enthalten. So vereinbarten Weber und Rusch-Ziemba den Tarifvertrag auch für jene 4000 Lokführer, die unter dem Dach der EVG organisiert sind. "Damit haben wir die Eisenbahner-Familie wieder vereint", lobte Rusch-Ziemba. Schließlich lagen die Lokführer zuletzt unter der alleinigen Zuständigkeit der GDL, sie hatte bis Juli 2014 allein das Verhandlungsmandat. Faktisch aber wird diese Lohnerhöhung auch allen übrigen Lokführern zugute kommen - also auch denen der GDL.

Stillstand auf den Gleisen: Bahnreisende müssen an diesem Montag viel Geduld aufbringen. Durch den bundesweiten Warnstreik drohen Zugausfälle und massive Verspätungen. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

"Im Kern kann die GDL davon ausgehen, dass sie nicht mehr bekommen wird"

Derweil soll eine andere Berufsgruppe, um die sich die GDL zuletzt mühte, kurzerhand umgestaltet werden: Aus dem "Lokrangierführer", der etwa an Güterbahnhöfen Waggons rangiert, solle in Zukunft der "Transportlogistiker" werden, teilten EVG und Bahn nach den Verhandlungen mit. Dies ermögliche es den Rangierern, "sich über technische und vertriebliche Qualifikationen beruflich weiterzuentwickeln", hieß es. Und womöglich würden sie sich so auch aus dem Dunstkreis der Lokführer-Gewerkschaft herausentwickeln. Zuletzt hatte die GDL dezidiert für die Interessen der Lokrangierführer gestreikt.

Von Streiks bleiben Bahnfahrer nun bis auf Weiteres verschont. Die EVG ist zufrieden, und die GDL traf am Mittwochnachmittag mit der Bahn zur ersten Runde der Schlichtung zusammen. Solange die Schlichter Matthias Platzeck (SPD) und Bodo Ramelow (Linkspartei) am Werk sind, bleiben auch weitere Lokführer-Streiks tabu. Die GDL fordert fünf Prozent mehr Lohn, eine um eine Stunde kürzere Wochenarbeitszeit und eine bessere Einteilung der Schichten für das Zugpersonal. Doch die Einigung mit der EVG, so stellte Personalvorstand Weber klar, markiert die Obergrenze. "Im Kern kann die GDL davon ausgehen, dass sie mehr nicht bekommen wird", sagte er.

Denn konkurrierende Tarifverträge will die Bahn so wenig wie eh und je. Der EVG sagte sie zu, nur Tarifwerke zu vereinbaren, die alle Beschäftigten gleich behandeln. Sollte die Bahn davon abweichen, so warnte Rusch-Ziemba, mache die Gewerkschaft von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch, "dass es uns erlaubt, eine drohende Spaltung der Belegschaft zu verhindern". Wie anders klang da GDL-Chef Claus Weselsky: Die Bahn werde kurz vor Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes "nicht umhin kommen, auch unterschiedliche Tarifverträge für das Zugpersonal zu akzeptieren", sagt er - zum Auftakt der Schlichtung.

© SZ vom 28.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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