Strategie-Papier zur Außenpolitik:Wie Deutschland mit Krisenländern umgehen will

An der "Kultur der militärischen Zurückhaltung" festhalten, aber gleichzeitig eine "kohärente Politik gegenüber fragilen Staaten" zeigen: Das Kabinett hat ein neues außenpolitisches Papier vorgelegt. Es geht um den Umgang mit Ländern, die vom Zerfall bedroht sind. Konkrete Schritte finden sich darin kaum - gefüllt wurden die sechs Seiten wohl, um ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen.

Daniel Brössler, Berlin

Vor gut zwei Jahren hat der damalige Bundespräsident Horst Köhler in einem Radiointerview die Einschätzung vertreten, dass die Deutschen insgesamt "auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren". Auf diese Worte folgte eine Welle der Kritik, mit der Köhler schließlich seinen Rücktritt begründete.

Wehretat wird 2013 kraeftig aufgestockt

Welche Aufgaben auf die Bundeswehr warten, die sich gerade für den Abzug aus Afghanistan rüstet und zurzeit mit 6600 Soldaten vom Hindukusch über das Horn von Afrika bis Libanon und Kosovo im Einsatz ist, verraten weder das Papier noch die Minister.

(Foto: dapd)

Als die Minister für Auswärtiges, Verteidigung und wirtschaftliche Zusammenarbeit, Guido Westerwelle, Thomas de Maizière und Dirk Niebel, am Mittwoch in Berlin vor die Presse treten, um "ressortübergreifende Leitlinien" für eine "kohärente Politik der Bundesregierung gegenüber fragilen Staaten" zu präsentieren, fällt der Name Köhler kein einziges Mal. Er schwingt nur mit. "Wir sind eine Handelsnation, wir sind ein exportorientiertes Land", sagt Westerwelle. Man handle, sagt de Maizière "wertegeleitet", folge aber auch deutschen Interessen. Niebel beklagt einen "Gürtel der Fragilität" von Ost- bis Westafrika.

"Über Jahrhunderte stellten starke, funktionierende Staaten die größte Gefahr für den globalen Frieden dar. Heute sind vor allem schwache staatliche Gebilde eine große Herausforderung für die globale Sicherheit", heißt es in dem sechsseitigen Papier, das die Minister präsentieren. Wo Staaten schwach seien, drohe Drogen- und Menschenhandel, niste der Terror und würden legale Wirtschaftswege behindert.

Im Kern geht es also um die Frage, auf die Köhler seinerzeit eine Antwort versucht hat. "Inaktivität birgt meist große Risiken auch für unsere eigene Sicherheit", warnen die Leitlinien. Zur folglich notwendigen Aktivität erläutern die Minister einträchtig, dass sie "vernetzt" sein müssten. Deshalb sind sie ja zu dritt gekommen.

"Es gibt keine Entwicklung ohne Sicherheit"

Zur Klarstellung zitiert der Verteidigungsminister den grünen Bundestagsabgeordneten und Afghanistan-Experten Tom Koenigs mit der Feststellung: "Es gibt keine Sicherheit ohne Entwicklung, und es gibt keine Entwicklung ohne Sicherheit." In den vom Kabinett beschlossenen Leitlinien steht das so: "Ohne sicheres Umfeld sind Stabilisierungs- und Entwicklungserfolge nicht zu erzielen." Die Erfahrung zeige, dass bei internationalen Engagements mit militärischer oder polizeilicher Komponente "ein quantitativ angemessenes und ausreichend robustes Profil gerade zu Beginn des Einsatzes als Erfolgsfaktor" gelten könne.

Welche künftigen Aufgaben da auf die Bundeswehr warten, die sich gerade für den Abzug aus Afghanistan rüstet und die zurzeit mit 6600 Soldaten vom Hindukusch über das Horn von Afrika bis Libanon und Kosovo im Einsatz ist, verraten aber weder das Papier noch die Minister. "Es bleibt bei der Kultur der militärischen Zurückhaltung", sagt Westerwelle. Es könne aber immer Situationen geben, in denen "politische Lösungen militärisch gesichert werden".

Auf keinen Fall, da sind sich die Minister einig, sollen Erwartungen zu hoch geschraubt werden. "Deutschlands Engagement in fragilen Staaten orientiert sich an einem realistischen und pragmatischen Ansatz", postulieren die Leitlinien. Konkret: "Ein politisches System kann nur dann mittel- bis langfristig stabil sein, wenn es auf lokalen Legitimitätsvorstellungen beruht." Deutsche Unterstützung, etwa Entwicklungshilfe, soll dem "Aufbau und der Stärkung der Staatlichkeit" dienen - nicht aber, wie de Maizière klarstellt, dem "Export unseres Demokratie-Systems". Nebenbei geht es auch darum, die Erwartungen in Deutschland zu dämpfen, um Enttäuschung wie im Falle Afghanistan zu vermeiden.

Wirklich neu ist das alles nicht. Es handele sich, bestätigt Westerwelle, nicht um eine "inhaltliche Neuausrichtung der Außenpolitik". Gefüllt wurden die sechs Seiten wohl nicht zuletzt, um einen Auftrag des Koalitionsvertrages abzuarbeiten, der "Konzepte" für die "Zusammenarbeit mit fragilen und zerfallenden Staaten und Ländern" verlangte. Die Leitlinien postulieren nun eine Bündelung der Expertise aller relevanten Ressorts im Krisenfall. Für die Sahelzone, Sudan und Syrien gibt es solche Task Forces bereits.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: