Strategie gegen den IS:Der alte Fehler der USA

A military vehicle of the Iraqi security forces is seen during an intensive security deployment against Islamic State militants in Diyala province

Irakische Streitkräfte im Einsatz gegen die Terrormiliz IS.

(Foto: REUTERS)

Am Himmel amerikanische Bomber, am Boden von den USA ausgebildete irakische Soldaten: So wollen die Vereinigten Staaten die Terrorgruppe IS um al-Bagdadi besiegen. Klingt schlüssig - doch das hat schon im Irak-Krieg zum Desaster geführt.

Kommentar von Tomas Avenarius

Im Mai 2011, es war kurz nach Mitternacht, stürmten zwei Dutzend US-Soldaten ein Haus im pakistanischen Garnisionsstädtchen Abottabad. Sie traten die Türen ein, fanden und erschossen Osama bin Laden. Der damals weltweit meistgesuchte Terrorist war verantwortlich für den 11. September 2001, die Jagd hatte knapp zehn Jahre lang gedauert, war begleitet von herben Misserfolgen.

Bin Laden ist fast vergessen, andere Männer stehen heute für den Terror. Ganz oben Kalif Ibrahim, besser bekannt unter seinem berüchtigten Kampfnamen Abu Bakr al-Bagdadi. US-Piloten hatten den Führer des "Islamischen Staats" (IS) töten wollen, als sie jüngst ihre Bomben auf einen Militärkonvoi im Norden des Irak warfen. Ob der selbsternannte Kalif überlebt, ja überhaupt in einem der Wagen gesessen hat, wissen die Generäle in Washington noch nicht. Für die Jagd auf Terrorführer braucht es neben Informanten in deren Umfeld eben auch eine Portion Glück.

Aufs Glück allein können die US-Regierung und die mit ihr verbündeten westlichen und arabischen Staaten kaum hoffen im Kampf gegen den IS. Und selbst wenn: Kalif Ibrahim ist ersetzbar. So wie al-Qaida auch ohne Bin Laden Terror verbreitet, wird der "Kalifat-Staat" unter einem andern Führer weiterkämpfen, im Irak und in Syrien. Also müssen die Militanten in einem Bodenkrieg geschlagen werden.

Terrormiliz IS nutzt irakische Waffen

US-Präsident Barack Obama, der seine Truppen eigentlich aus dem ewigen Kriegsgebiet Nahost zurückholen wollte, schickt daher 3500 Ausbilder, Berater und Elitesoldaten in den Irak. Sie sollen Bagdads Armee kampffähig machen. Die war im Juni bei den ersten Gefechten mit dem IS geflohen, hatte ihre Waffen zurückgelassen. Mit den Panzern, Geschützen und Gewehren von weit mehr als 20 000 Mann morden nun die Kämpfer des Kalifen.

Obama muss also handeln. Sein Plan klingt vernünftig. Die Iraker werden bis Ende des Frühjahrs ausgebildet. Dann greifen sie den IS in seinen irakischen Hochburgen an. Unterstützt werden sie von schiitischen Milizen, kurdischen Peschmergas und sunnitischen Stammeskriegern, die der Herrschaft des Kalifen nichts abgewinnen und sich von Bagdad oder Washington gern bezahlen und aufrüsten lassen. Oben am Himmel fliegen die US-Bomber. Wenn dann auch noch, wie von Obama vorgesehen, die von den USA unterstützten sunnitischen Rebellen in Syrien auf den IS einstürmen, hat der Kalif keine Chance. Dass auch die Geheimdienste ihn weiter suchen und zu töten versuchen, versteht sich im amerikanischen Anti-Terror-Genre von selbst.

USA ignorieren Erfahrungen mit letztem Irak-Krieg

Der Haken an Obamas Plan ist, dass er die Erfahrungen des letzten Irak-Kriegs ignoriert. Die USA haben Iraks Streitkräfte schon einmal ausbilden lassen, nach 2003. Es sind diese Soldaten, die vor dem IS geflohen sind. Die Streitmacht war von Anfang an falsch aufgestellt. Bagdads schiitisch dominierte Regierung hatte nie Interesse an einer nationalen Armee oder einer nationalen Polizei. Sie wollte ein Machtinstrument für die schiitische Mehrheit, trainiert, finanziert und bewaffnet von den USA. Sunniten wurden in Bagdad weder verantwortliche Minister noch kommandierende Generäle, Kurden auch nicht. Aber während die Kurden die Zeit nutzten, ihre Peschmergas aufzurüsten, liefen die Sunniten zu al-Qaida und dem IS über.

Für dieses Desaster, das das Erstarken des IS in Teilen erklärt, hat Washington mehr als 25 Milliarden Dollar bezahlt. Auch jetzt zeichnet sich ab, dass sich das Denken in Bagdad nicht geändert hat. Schiitische Milizen werden gepäppelt, loyale Sunnitenkämpfer abgespeist. Bevor Obama Hoffnung und Geld investiert, sollte er der neuen, wieder schiitisch dominierten Führung klarmachen: Bezahlt wird nur, wenn diese Armee die Armee aller Iraker ist und für alle Iraker gegen den Kalifen kämpft.

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