Strafrechtsverschärfung bestätigt:Heß-Aufmärsche bleiben verboten

Die umstrittene Strafrechtsverschärfung für Neonazi-Aufmärsche ist verfassungsgemäß. Damit bleiben Kundgebungen zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Heß verboten.

Das im Jahr 2005 verschärfte Versammlungsrecht ist nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Leipziger Richter entschieden, dass die Behörden einen Neonazi-Aufmarsch in der oberfränkischen Stadt Wunsiedel zu Ehren von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß verbieten durften.

Nazi-Aufmarsch

In Wunsiedel darf künftig niemand mehr marschieren, um an Rudolf Heß zu erinnern.

(Foto: Foto: ddp)

In der 10 000-Einwohner-Stadt wurde Heß nach seinem Tod am 17. August 1987 begraben. Der Todestag wird bundesweit immer wieder zum Anlass für Aufmärsche genommen. In Wunsiedel versammelten sich in der Vergangenheit tausende Neonazis. (Az.: BVerwG 6 C 21.07)

Die Entscheidung ist das erste Grundsatzurteil zu dem seit April 2005 geltenden Gesetz. Die Änderung erfolgte - parallel mit Ergänzungen zum Versammlungsrecht - mit Blick auf befürchtete Demonstrationen von Rechtsextremisten zum 60. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai. Nach der Vorschrift macht sich strafbar, wer in einer öffentlichen Versammlung die Würde der NS-Opfer verletzt sowie nationalsozialistische Gewalt und Willkürherrschaft billigt.

Kritiker des Gesetzes hatten die Formulierungen als zu ungenau bezeichnet und unzulässige Eingriffe in die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit (Artikel 5 und 8 des Grundgesetzes) gesehen. Auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wies im Eilverfahren zu dem Verbot von Wunsiedel auf eine Reihe kritischer Fragen hin.

Eingriff in die Meinungsfreiheit

Der erweiterte Paragraf 130 stelle tatsächlich einen Eingriff in die Meinungsfreiheit dar, urteilten jetzt die Leipziger Richter. Dieser sei jedoch gerechtfertigt, weil es dem Schutz des öffentlichen Friedens und der Menschenwürde der Opfer und ihrer Nachkommen diene. Der verbotene Aufmarsch in Wunsiedel hätte laut Urteil den öffentlichen Frieden gestört. Er hätte weit über die Stadt hinaus Beachtung gefunden und insbesondere bei Opfern des NS-Regimes die verständliche Furcht ausgelöst vor der gefährlichen Ausbreitung des Gedankenguts der Neonazis, hieß es.

Erleichtert reagierte Wunsiedels Bürgermeister Karl-Willi Beck (CSU): "Wir sind wirklich sehr froh. Damit ist ein gewichtiger Kelch an uns vorüber gegangen." Die Entscheidung sei jedoch nicht nur für die Kommune von großer Bedeutung, sondern bundesweit. "Wir freuen uns, dass der Spuk im August beendet ist", sagte Wunsiedels Landrat, Karl Döhler (CSU). Die Richter hätten seine Behörde auf der gesamten Linie bestätigt. Bayerns Ministerpräsident Günter Beckstein (CSU) sprach von einem "guten Tag für den Rechtsstaat". Die Entscheidung stärke diesen gegen Verfassungsfeinde.

Das Landratsamt Wunsiedel hatte 2005 einen für den 20. August geplanten Aufmarsch des Hamburger Neonazi-Anwalts Jürgen Rieger verboten. Dabei hatte sich die Behörde auf den erweiterten Volksverhetzungs-Paragrafen 130 bezogen.

Das Landratsamt sei zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Veranstaltung mit an "Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit" die schweren Menschenrechtsverletzungen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt worden wären, urteilte jetzt das Bundesverwaltungsgericht. Nach Überzeugung der Leipziger Richter wäre Heß im Rahmen der Veranstaltung in einer besonderen Weise positiv bewertet und seine Rolle im NS-Regime verharmlost worden. Als Belege wertete das Gericht unter anderem seine Darstellung als "Märtyrer" und das Motto der Veranstaltung.

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