Strafmaßnahmen:Urteil zu EU-Sanktionen

Ex-Ukrainian Prime Minister Mykola Azarov gives a press conferenc

Gegen Mykola Asarow verhängte der Rat in Brüssel 2014 Einreiseverbot und Kontensperrung.

(Foto: picture alliance / dpa)

EuGH entscheidet über Klage des früheren ukrainischen Regierungschefs Mykola Asarow.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Als die Außenminister der Europäischen Union am 20. Februar 2014 zusammenkommen, wissen sie nicht viel, eines aber sicher: Die Zeit läuft ihnen davon. In Kiew ist die Lage längst außer Kontrolle geraten. Auf pro-europäische Demonstranten wird geschossen. Der Deutsche Frank-Walter Steinmeier, der Franzose Laurent Fabius und der Pole Radosław Sikorski sind auf Vermittlungsmission in der ukrainischen Hauptstadt, doch die Kollegen in Brüssel haben zunächst keine Ahnung, ob das Trio etwas erreichen kann. Der Brite William Hague verlangt eine "starke internationale Antwort" auf die Gewalt.

Im "Eilverfahren", so beschließen die Minister schließlich, sollen gezielte Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen "die Verantwortlichen für die Gewalt und den exzessiven Einsatz von Sicherheitskräften" verhängt werden. Beamte machen sich an die Arbeit, zwei Wochen später erscheint im EU-Amtsblatt eine Liste mit zunächst 18 Namen - ganz oben der von Viktor Janukowitsch, der zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr Präsident ist. Auf Platz 13: Mykola Asarow, einstiger Ministerpräsident.

Zwei Jahre danach hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun zu entscheiden, ob in jenen dramatischen Tagen Unrecht geschehen ist - nicht in Kiew, sondern in Brüssel. Mehrere Ukrainer haben gegen ihren Platz auf der Liste geklagt. In Asarows und vier weiteren Fällen ergeht an diesem Donnerstag das Urteil. "Es geht um meine Reputation", sagte Asarow dem österreichischen Magazin Profil. Aus dem russischen Exil wettert er gegen angebliche Untaten der Führung in Kiew und betreibt sein wichtigstes Projekt, für das er eine Wiener Kanzlei engagiert hat: die Rehabilitierung durch Europas höchste Richter. Von größter Bedeutung ist der Fall auch für die EU. Wiewohl die Luxemburger Richter im Einzelfall entschieden, urteilen sie letztlich auch über eine der wichtigsten Waffen der EU im Krisenfall: die Sanktionen gegen Einzelpersonen.

Die EU ist, wenn sie solche Maßnahmenverhängt, an Rechtsstaatlichkeit gebunden. Intransparente Einreiseverbote, wie sie etwa Russland verhängt hat, sind mit EU-Recht nicht vereinbar. Im Februar 2014 standen die Beamten in Brüssel daher vor einem klassischen Problem. Sie mussten schnell eine Liste zusammenstellen, die dennoch gerichtsfest sein sollte. Im Falle Asarows, der unter dem Eindruck der Massenproteste auf dem Maidan am 28. Januar 2014 zurückgetreten war, gab die EU als Grund für die Listung an: "Person ist Gegenstand von Ermittlungen wegen der Beteiligung an Straftaten in Verbindung mit der Veruntreuung ukrainischer Staatsgelder und ihrem illegalen Transfer ins Ausland."

Im Luxemburger Verfahren geht es also weniger um die Rechtschaffenheit Asarows als darum, ob diese konkrete Begründung hält. Asarows Anwälte machten geltend, die EU habe ihre Begründungspflicht und die Grundrechte ihres Mandanten verletzt. Den genannten Grund kritisierten sie als zu vage. Außerdem sei das Vorgehen gegen Asarow unverhältnismäßig, da es auf einer zu dünnen Verdachtslage gefußt habe. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Liste seien gegen den Ex-Ministerpräsidenten gar keine Ermittlungen in Kiew anhängig gewesen. Auch sei ihr Mandant vor der EU-Entscheidung nicht angehört worden und habe erst mit Verspätung Einsicht in Dokumente erhalten.

Würden Asarows Anwälte in diesem Punkt recht bekommen, hätte das erhebliche Konsequenzen. Sinn der Sache sei ja gerade, dass restriktive Maßnahmen überraschend verhängt würden, machte der Europäische Rat in dem Verfahren geltend. So soll verhindert werden, dass Betroffene ihr in der EU befindliches Geld in Sicherheit bringen. Auch dem Argument, gegen Asarow sei gar kein Verfahren in Kiew anhängig gewesen, widersprachen die Anwälte des Rates. Bei der Staatsanwaltschaft habe es sehr wohl Ermittlungen gegeben. Klar sei, dass die EU keine eigenen Untersuchungen durchführen könne, sondern auf Informationen von vor Ort angewiesen sei.

Diese müssen allerdings nach Ansicht des EuGH belastbar sein. Im Oktober erklärten die Luxemburger Richter die Listung des Janukowitsch-Beraters Andrij Portnow für nichtig, dem ebenfalls Veruntreuung vorgeworfen worden war. Der Rat habe als einziges Beweismittel einen Brief des ukrainischen Generalstaatsanwalts vorgelegt, in dem von diesem Vorwurf gar nicht die Rede sei.

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