Stoibers Rücktritt:Abschied vom Alten

Allein die Anzahl der Fehler, die Stoiber seit der Bundestagswahl 2005 gemacht hat, hätte ihm zeigen müssen, dass es Zeit gewesen wäre, 2008 aufzuhören. Nun wurde er vorzeitig zur Einsicht gezwungen.

Kurt Kister

Es ist verwunderlich, dass eine Partei mit einem so hohen Hysterie-Potential, wie es die CSU gerade an den Tag legt, das Land Bayern dann doch wieder so lange relativ gut regiert hat. Edmund Stoiber, Ministerpräsident auf Abruf, hat einen erheblichen Anteil an beidem, sowohl an der guten Staatsregierung als auch am Hysterie-Potential. Seit Wochen erlebt der interessierte Beobachter, wie Landrätinnen, Abgeordnete, Staatsminister und vorneweg der Vorsitzende ihrer eigenen Partei immer wieder Messer in die Brust rennen und dabei rufen: ,,Tut gar nicht weh! Tut gar nicht weh!''

Es ist schon wieder bewundernswert, wie sehr Stoiber, Glück, Hermann, Beckstein, Huber, Pauli etc. binnen weniger Wochen das Ansehen der Partei beschädigen konnten. Die SPD, die in Bayern aus spezifischen Gründen zwischen Minderheit und Splitterpartei dümpelt, hätte das jedenfalls so nie geschafft.

Nun also wird Stoiber am 30. September sowohl sein Staats- als auch sein Parteiamt niederlegen. Dies ist nötig geworden, weil den Handelnden und mehr noch den Schwätzenden jede Kontrolle entglitten ist. Es begann mit Stoibers selbstherrlichem Entschluss, 2008 noch einmal antreten zu wollen. Kritik daran wurde als lächerlich oder als Verrat empfunden.

Wer Stoibers Abwendung von Berlin im November 2005 wahrheitsgemäß als Flucht bezeichnete, galt unter den Autisten in der Staatskanzlei als Dummkopf oder als böswillig. Es ist unerklärlich, dass der erfahrene, intelligente Stoiber nie verstanden hat, dass diese Flucht der Anfang seines Endes war.

Er kapierte ebenfalls nicht, dass ein politisches Anliegen nicht dadurch irrelevant wird, wenn es eine Frau vorträgt, die sich gerne reden hört und sich außerdem auf einer Ducati fotografieren lässt. Die Männer rund um Stoiber, die ihm eigentlich hätten beibiegen müssen, was los ist in der Partei, trauten sich nicht oder waren selbst zu beschränkt, um es wahrzunehmen.

Schlimmer noch: Von einem gewissen Zeitpunkt an sagten viele in sogenannten privaten Gesprächen, dass es nicht mehr gehe mit dem Stoiber. Öffentlich aber finassierten, vernebelten, ja logen etliche fast bis zuletzt. Nahezu die gesamte Führungsspitze der CSU machte sich in diesem Sinne politisch schuldig. Im Dezember hätte Stoiber vielleicht noch durch klügeres Verhalten zumindest den Eklat verhindern können. Er blieb aber bockig und beschwor dann mit seinem wahnwitzigen Satz, er wolle bis 2013 regieren, jenes Tohuwabohu, das bis heute anhält.

Edmund Stoiber war den Bayern alles in allem ein guter Ministerpräsident. Er wäre fast Bundeskanzler geworden und erzielte 2002 ein deutlich besseres Ergebnis als Angela Merkel drei Jahre später. Die CSU spielte unter ihm auch im Bund lange eine bedeutende Rolle, manchmal dominierte sie sogar die CDU. 2003 erreichte Stoiber sogar die Zwei-Drittel-Mehrheit in Bayern.

Abschied vom Alten

Gewiss, Stoiber war nie der entschiedene, selbstbewusste Chef, den er gerne gab. Im Grunde blieb er unsicher und lieferte sich vielleicht auch deswegen einigen Beratern aus, deren Selbsteinschätzung nicht mit ihren Fähigkeiten korrelierte. Dass er genau das nicht erkannte, war eines von Stoibers großen Problemen. Allein die Anzahl der Fehler, die Stoiber seit der Bundestagswahl 2005 gemacht hat, hätte ihm zeigen müssen, dass es Zeit gewesen wäre, 2008 aufzuhören. Nun wurde er vorzeitig zur Einsicht gezwungen - von seiner 2013-Mentalität, von seinen immer wilder zappelnden Hintersassen, von einer zu Tal donnernden Lawine, die der Schneeball einer Landrätin ausgelöst hatte.

Ende September wird es Stoibers Abschied mit viel Tschingdarassabumm und Loisachaler Böllerschützen geben. Vorher wird man weitere Einblicke in das Seelenleben einer Partei gewinnen, die zur Zeit einen Psychotherapeuten nötiger hätte als einen neuen Vorsitzenden. Dass Günther Beckstein Ministerpräsident wird, ist relativ wahrscheinlich.

Trotz aller aktuellen Verwerfungen hat die CSU auch 2008 in Bayern wieder gute Chancen, die Wahl zu gewinnen - und sei es als größte Partei in einer Koalition. Beckstein würde dann für eine Amtsperiode als Ministerpräsident des Übergangs fungieren. Weniger klar ist heute die Geschichte mit dem Parteivorsitz. Vielleicht war Erwin Huber zu lange zu loyal gegenüber Stoiber, so dass sich die Partei in einer Kampfabstimmung eher Horst Seehofer zuwenden würde, träten beide denn an. Zwar sind Beckstein und Huber gegenwärtig noch Säulen der CSU - aber sie sind auch die prominentesten Protagonisten des untergehenden Systems Stoiber.

Was die CSU jetzt durchmacht, ist im übrigen nichts anderes als eine überfällige Modernisierung. Die Zeiten des einen, alle überragenden Großparteichefs und Regenten sind vorbei. Diese Statur hat weder Angela Merkel in der CDU noch gar Kurt Beck in der SPD. Erfahrungsgemäß braucht es für eine solche Modernisierung einen schmerzlichen, manchmal chaotischen Abschied vom Alten. Dann folgt für einige Zeit, ein paar Jahre maximal, die Übergangsperiode, die meist von den Diadochen des großen Entmachteten gestaltet wird. In diese Periode tritt die CSU jetzt mit Beckstein, Huber, Seehofer etc. ein.

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