Stimmen zur französischen Präsidentschaftswahl:Wie Deutschland auf Hollande reagiert

Nach Berlin wollte sie ihn im Wahlkampf nicht einladen, nun muss Angela Merkel mit dem Wahlsieger François Hollande die deutsch-französische Freundschaft pflegen. Für die Kanzlerin war der Sozialist mit seiner Kritik am europäischen Fiskalpakt bisher eher eine Bedrohung. Jetzt dürften interessante Gespräche folgen.

Daniel Brössler

Niemand soll sagen, den Deutschen sei angesichts des Wahlausgangs in Frankreich nicht zum Feiern zumute. Noch vor Schließung der letzten Wahllokale erscheint Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bei der Wahlparty in der Französischen Botschaft am Pariser Platz in Berlin. Als dann der Sieg von François Hollande feststeht, schaut auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) herein. "Ich gratuliere sehr herzlich dem neu gewählten Präsidenten", sagt er. Ein "historisches Ereignis" sei die Wahl. Danach kommt er rasch zur Sache: "Die Überwindung der Schuldenkrise ist ein gemeinsames deutsch-französisches Anliegen." Haushaltsdisziplin und wachstumsorientierte Politik aber seien zwei Seiten derselben Medaille.

"Die deutsch-französische Freundschaft hängt nicht von Parteipolitik ab"

"Wachstum" - das war im Wahlkampf dem Sozialisten Hollande ein Herzensanliegen. Einem Wahlkampf, in dem die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel zu Nicolas Sarkozy gehalten hatte. "Die deutsch-französische Freundschaft hängt nicht von Parteipolitik ab", sagt Westerwelle. Wer will, kann es als Seitenhieb verstehen. Selten hat eine französische Präsidentenwahl die deutsche Politik so bewegt.

"Es ist gut, wenn wir Wahlen in den Nachbarländern eine so große Aufmerksamkeit widmen", lobt Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. Von Kanzlerin Merkel allerdings hätte sich Mützenich "eine größere Zurückhaltung gewünscht". Im Verhältnis zum neuen Präsidenten könne es nun Schwierigkeiten zumindest in den ersten Monaten geben.

Solidarität unter Konservativen

"Ich unterstütze Sarkozy in jeder Fasson, weil wir einfach zu befreundeten Parteien gehören", hatte Merkel im Hinblick auf dessen Präsidentschaftskandidatur im Februar in Paris verkündet. Für Merkel ging es um mehr als um Solidarität unter Konservativen. In der Euro-Krise war Sarkozy für sie zum berechenbaren Partner geworden. Mit seiner ursprünglichen Drohung, den Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen, verkörperte Hollande hingegen eine Bedrohung.

Früh legte sich Merkel darauf fest, den Sozialisten während des Wahlkampfs nicht durch einen Termin im Kanzleramt aufzuwerten. Dabei blieb es. Nur aus Wahlkampf-Auftritten für Sarkozy wurde nichts. Der Franzose nämlich gelangte zur Auffassung, dass ihm das mehr schaden als nützen würde. "Sie sind vor Deutschland zurückgewichen, wir werden Deutschland zwingen, sich zu bewegen", rügte Hollande den Rivalen in der TV-Debatte vor der zweiten Wahlrunde; solche Sätze zeigten Wirkung.

Bundestagspräsident Lammert sagt am Sonntag auf der Wahlparty, er glaube nicht, dass Angela Merkels Parteinahme "zu einer nachhaltigen Eintrübung des persönlichen Verhältnisses" zwischen Kanzlerin und neuem Präsidenten führen werde. Denn die Notwendigkeit der Zusammenarbeit sei im "genetischen Code" beider Länder verankert.

Vermutlich am 15. Mai soll François Hollande zum Antrittsbesuch nach Berlin kommen; sicher jedenfalls vor dem G-8-Gipfel in Camp David am 18. Mai. Ein Telefonat mit Merkel sollte es schon am Wahlabend geben. Jean-Marc Ayrault, der Hollande-Vertraute und sozialistische Fraktionschef, hatte gegenüber Le Figaro angekündigt, es werde dabei auch schon um Hollandes Forderung gehen, den Fiskalpakt zu ergänzen: "Das ist der Schlüssel für die Sanierung Europas, die Reorientierung in Richtung Wachstum." Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Es werden interessante Gespräche werden zwischen Angela Merkel und François Hollande.

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