Steuerstreit: NRW:"FDP hat Realität noch nicht wahrgenommen"

Scharfer Angriff: NRW-Finanzminister Linssen geht wegen der Forderung nach Steuersenkungen auf den Koalitionspartner FDP los.

D. Graalmann

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen (CDU) hat den Koalitionspartner FDP wegen dessen Forderung nach weiteren Steuerentlastungen ungewöhnlich scharf angegriffen. Er könne den Liberalen "nur raten, in der Wirklichkeit anzukommen", sagte Linssen der Süddeutschen Zeitung: "Die FDP hat offenbar durch die lange Entbehrung in der Opposition die Realität noch nicht so wahrgenommen."

Helmut Linssen (CDU), dpa

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen (CDU) hat den Koalitionspartner FDP wegen dessen Forderung nach weiteren Steuerentlastungen ungewöhnlich scharf angegriffen.

(Foto: Foto: dpa)

Damit stellte sich Linssen zugleich hinter den NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU), der bereits am Wochenende mit einem Bundesrats-Veto gegen weitere Steuersenkungen gedroht hatte. Weitere Entlastungen über die noch von der Großen Koalition beschlossenen Maßnahmen sowie der zum 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Reform, die allein rund acht Milliarden Euro kostet, seien, so Linssen, "derzeit nicht zu verkraften". Um zu erkennen, dass in den Haushalten kein finanzieller Spielraum mehr vorhanden sei, "muss man nur die Grundrechenarten beherrschen", sagte Linssen der SZ.

Damit verschärfte der 68-Jährige erneut den Tonfall innerhalb der Koalition, nachdem sich die CDU-Führung in Berlin am Montag noch um leichte Entspannung bemüht hatte. Als generelle Absetzbewegung vom liberalen Koalitionspartner wollte Linssen seine Kritik ausdrücklich nicht verstanden wissen. Er sei, so Linssen, "ein Fan von schwarz-gelben Koalitionen, wie sie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen exzellent funktioniert". Zudem teile er sehr wohl die prinzipielle Auffassung, dass "Steuersenkungen gut und eine umfassende Steuerreform dringend erforderlich" seien, aber "man muss auch erkennen, dass es derzeit eben nicht geht". Er wolle gleichwohl nicht ausschließen, dass sich die Situation im Laufe der Legislaturperiode noch ändern könne.

"Wir wollen ja nicht werden wie Griechenland"

Für das Land Nordrhein-Westfalen haben die bereits wirksamen Gesetzesänderungen Ausfälle von jährlich rund zwei Milliarden Euro zur Folge. Dies sei "soeben noch verkraftbar", sagte der NRW-Finanzminister. Nun aber sei auch mit Blick auf die beschlossene Schuldenbremse die Haushaltskonsolidierung "prioritär", so Linssen und betonte mit Blick auf das EU-Defizitverfahren spitz: "Wir wollen ja nicht werden wie Griechenland."

Den Vorwurf der Liberalen, die CDU missachte den Koalitionsvertrag, bezeichnete der Christdemokrat als "eine Mär". Alle Maßnahmen seien im Koalitionsvertrag stets unter den Finanzierungsvorbehalt gestellt worden, den "die Realisten da reingeschrieben hätten". Die Ankündigung der FDP, im Angesicht der massiven öffentlichen Kritik und sinkender Umfragewerte ihre konkreten Steuerpläne bereits auf April vorzulegen, kritisierte Linssen als nicht nachvollziehbar: "Wieso die FDP nun das Tempo verschärft, entzieht sich meiner Logik."

Er mache sich zudem "kein Illusionen" über die konjukturelle Wirkung von Steuerreformen. Die Möglichkeit der Refinanzierung von Steuererleichterungen über den damit verbundenen Wachstumsimpuls - der insbesondere von den Liberalen als Argument angeführt wird - sei "längst nicht mehr wie zu Stoltenbergs Zeiten." Unter dem Finanzminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hatte es in den Jahren 1986 bis 1990 eine dreistufige Steuerreform gegeben.

In der heutigen Zeit, so der NRW-Finanzminster, habe eine Steuererleichterung vor allem eine psychologische Komponente, aber diese sei "wegen der Hotelgeschichte zerredet" worden. Es sei "politisch unverzeihlich", dass öffentlich nur noch über die Entlastung im Hotelbereich debattiert werde. Schließlich habe die Bundesregierung, einschließlich der Beschlüsse der Großen Koalition, die Bürger um insgesamt 21 Milliarden Euro entlastet. "Dies ist eigentlich ein Grund, die Glocken läuten zu lassen."

Nun sei es statt dessen wichtiger, Vorschläge im Bereich der Steuervereinfachung zu machen. Derzeit prüften und debattierten die Finanzminister der CDU-geführten Bundesländer Möglichkeiten, "die Steuergesetze administrierbar zu machen". Dabei, so Linssen, sei allerdings "nicht mehr der große Wurf à la Kirchhoff oder Merz" gefragt. Er forderte den Koalitionspartner FDP auf, Vorschläge zur Gegenfinanzierung zu unterbieten: "Und zwar nicht nur für die acht Milliarden, die der Bund zahlen muss, sondern auch die elf Milliarden für Land und Kommunen". Für die angespannte Finanzlage der Kommunen erwarte er durch die von Schäuble eingesetzte Regierungskommission nun "Hilfe aus Berlin". So müsse etwa bei die Unterbringungskosten für Hartz IV-Empfänger "vom Bund mehr gegeben werden", die Kommunen seien bisher "über Gebühr" belastet.

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