Steuerstreit mit der Schweiz:Im Auftrag der stillen Mächtigen

Aus Schweizer Sicht steht angeblich fest: Die drei deutschen Steuerfahnder sollen 2010 nicht nur eine Daten-CD für 2,5 Millionen Euro gekauft, sondern den Lieferanten zur Spionage angestiftet haben. Das wäre auch aus deutscher Sicht höchstproblematisch. Es gibt allerdings einen Vermerk, der die Wuppertaler Steuerfahnder entlastet. Die Schweiz aber sieht das anders.

Hans Leyendecker

Es gibt Geschichten, die das Leben so schreibt, und in diesen Geschichten kreuzen sich oft unerwartet die Wege von Menschen. Im Frühjahr 2008 brannte der Finanzplatz Liechtenstein, weil deutsche Ermittler die Verstecke deutscher Steuerbetrüger bei der LGT Treuhand ausgehoben hatten. Die Ermittlungen trieb damals der oberste Wuppertaler Steuerfahnder Peter B. mit einem Team rheinischer Kollegen voran.

A Credit Suisse logo is pictured on a Swiss bank Credit Suisse building in Bern

Dirigiert von den Steuerfahndern soll ein früherer Bankangestellter bei der Credit Suisse den Maulwurf gespielt haben - das jedenfalls werfen die Schweizer den Deutschen vor.

(Foto: REUTERS)

Unter Druck gerieten fast alle Geldhäuser in dem Fürstentum. Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbandes war damals der Jurist Michael Lauber. Er versuchte, die Banken und den Zwergstaat durch die Steueraffäre mit Deutschland zu bringen.

Seit ein paar Monaten ist der heute 46-jährige Jurist der oberste Schweizer Strafverfolger. Zu seinen ersten Amtshandlungen als Bundesanwalt gehörte es, Haftbefehle gegen Peter B. und zwei weitere frühere Liechtenstein-Ermittler auf den Weg zu bringen, weil sie bei Ermittlungen im Fall Credit Suisse eine Art Spionage betrieben und das Bankgeheimnis verletzt haben sollen.

Mancher Eidgenosse neigt zu Verschwörungstheorien

Von ganz außen betrachtet ließe sich der Konflikt - zugegebenermaßen etwas verschwörerisch - auf eine knappe Formel bringen: Ein ehemaliger Banken-Lobbyist (Lauber war immerhin von 2004 bis 2010 Geschäftsführer) rächt sich im Auftrag der stillen Mächtigen kalt an den ehemaligen Verfolgern. Genauer hingesehen ist der Fall viel komplizierter: Der frühere Anwalt Lauber leitete in den neunziger Jahren in Bern eine Zentralstelle zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und später in Vaduz eine Zentralstelle zur Bekämpfung von Geldwäsche. Er gilt als äußerst integer.

Ähnlich kompliziert ist die Sache mit den Haftbefehlen; es sei denn, man neigt zu Verschwörungstheorien wie mancher Eidgenosse. Aus Schweizer Sicht, das zeigt ein frisches Berner Rechtshilfeersuchen, das der Süddeutschen Zeitung inhaltlich bekannt geworden ist, steht angeblich praktisch fest: Peter B. und Kollegen sollen 2010 nicht nur eine Daten-CD für 2,5 Millionen Euro gekauft, sondern zuvor den Lieferanten dazu gebracht haben, die zweitgrößte Schweizer Bank auszuspionieren. Dirigiert von den Fahndern soll ein damaliger untreuer Bankangestellter ein Maulwurf gewesen sein, der auftragsgemäß geheime Unterlagen der Bank besorgt habe.

Die Schweizer stützen den Vorwurf vor allem auf Betrachtungen deutscher Akten in dem Ermittlungsverfahren und auf Erklärungen des inzwischen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilten früheren Bankers. Die Lektüre des Rechtshilfeersuchens und die Sichtung der Unterlagen lässt eher den Schluss zu, dass nur eine sehr forsche Staatsanwaltschaft von einem Anfangsverdacht ausgehen kann. Ein Haftbefehl ist aufgrund dieser Unterlagen eine Provokation.

Fest steht: Wenn die Fahnder den Verkäufer der CD zur Spionage angestiftet hätten, wäre das auch aus deutscher Sicht höchst problematisch. Behörden und Gerichte gehen in den CD-Fällen davon aus, dass deutsche Ermittler die Daten nur entgegennehmen. Sie dürfen Lieferanten nicht veranlassen, die Daten herzustellen oder zu beschaffen.

Den ehemaligen Banker, der ihr Spion gewesen sein soll, haben die Steuerfahnder nie kennen gelernt. Für sie existierte nur ein Informant, der sich in den wilden Tagen im Frühjahr 2008 gemeldet hatte und angab, er verfüge über Kontounterlagen von rund 1500 deutschen Kunden der Credit Suisse. Von März 2008 bis Februar 2010 gab es dann zehn Treffen mit ihm. Die Fahnder beteuern in dienstlichen Erklärungen, sie hätten sich bei allen Begegnungen an die Regeln gehalten und niemals die Initiative ergriffen. Der Informant habe die Angebote gemacht. Was er dann dem Banker, mit dem er zusammenarbeitete, über die Gespräche mit den Steuerfahndern berichtete, und ob er selbst weitere Unterlagen orderte, lässt sich nicht mehr feststellen. Der Mittelsmann wurde im Herbst 2010 in der Schweiz festgenommen und hat sich das Leben genommen. Ein Geständnis, das Aufschluss über die Gespräche liefern könnte, hat er nicht hinterlassen.

Vermeintlich belastender Vermerk

Aus Schweizer Sicht spricht ein vierseitiger Vermerk der Wuppertaler Steuerfahnder aus den Märztagen 2010 angeblich dafür, dass die Fahnder Ausforschungsaufträge erteilt haben: "Hinweis auf Mangel an Beihilfeaspekten" notierte ein Fahnder im Zusammenhang mit einem Treffen im Mai 2009 in Stuttgart. Im September übergab dann der Mittelsmann belastendes Material. Der vermeintlich belastende Vermerk entlastet eher. Er macht klar, dass die Ermittler nicht durchblickten, wer was da machte. Sie wussten bis zum Ende nicht, ob sie es bei dem Informanten mit einem Boten oder einem Banker zu tun hatten.

Der Informant habe sich bei den Steuerfahndern selbst gemeldet und die Unterlagen angeboten, steht in dem Papier. Er sei "wortkarg, abwartend, beobachtend" gewesen. Er habe die Fragen gestellt und "präzise Antworten erwartet". Eine "persönliche Vertrauensatmosphäre" habe er nicht zugelassen. Fragen, die an ihn gerichtet wurden, habe er knapp bejaht oder verneint. Manchmal sei er ausweichend gewesen. "Sein Wissen um die Qualität des von ihm angebotenen Materials" habe ihm eine "Gelassenheit, Sicherheit" und Überlegenheit verschafft, "die ich in dieser Form bislang nicht erlebe habe", schrieb Peter B. Normalerweise kennen Agentenführer ihre Spione besser.

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