Steuerreform:Das Ende der ruhigen Hand

Die SPD bastelt an Hartz IV, die Koalition an Entlastungen für die Mittelschicht. Doch ihre Steuerreform ist nur ein Anfang - der zu spät kommen könnte.

Stefan Braun

Sie wollten irgendwie durchkommen, leise bleiben, Ruhe bewahren und keinen aufschrecken. Deshalb hatten sich Union und FDP vor Monaten still darauf verständigt, bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen keine großen Themen mehr anzupacken. Zu groß war die Sorge, an Rhein und Ruhr zu polarisieren. Also hieß die Losung: einschläfern statt aufwecken. Man kann sagen, dass die schwarz-gelbe Koalition ihre eigene "ruhige Hand" erfunden hatte.

Doch damit scheint es vorbei zu sein. Unter dem Eindruck sinkender Umfragewerte und einer immer schlechteren Ausgangslage will das Bündnis wieder in die Offensive kommen. Dazu muss es tun, was es längst hätte tun müssen: handeln. Zu groß ist seit langem die Diskrepanz zwischen dem, was angesichts gigantischer Schulden und gigantischer Wirtschaftskrise nötig wäre - und dem, was Schwarz-Gelb darauf an Antworten bietet.

Gute Politik besteht nicht nur aus Durchwursteln; gute Politik besteht auch aus einem Bekenntnis. Die Sozialdemokraten versuchen das mit ihren Umbauplänen für die Hartz-IV-Regeln. Die Koalition antwortet mit der Botschaft, sie wolle die Mittelschicht weiter entlasten. So etwas hat es lange nicht mehr gegeben: Die Wähler in Nordrhein-Westfalen können zwischen echten Alternativen entscheiden. Wie gut sich schlechte Umfragen manchmal doch auswirken.

Dabei sind die Pläne, die kalte Progression im Steuerrecht weiter abzuschmelzen, nicht mehr als ein Anfang. Und sie sind ein Anfang, der zu spät kommen könnte. Sollte Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen verlieren, hat Schwarz-Gelb in Berlin nicht mal mehr die Macht, über die kalte Progression allein zu entscheiden.

© SZ vom 18.03.2010/dgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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