Steuerpläne:Auch Merkel verspricht Steuergeschenke

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"Jetzt spreche ich mal als CDU-Vorsitzende": Kanzlerin Angela Merkel beim Tag der deutschen Industrie. (Foto: REUTERS)

Auf die Steuerpläne der SPD reagiert die CDU-Chefin mit eigenen Vorstellungen. Und liefert nebenbei eine Vorlage für Martin Schulz.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Es war eine Vorlage, die Martin Schulz nicht ungenutzt lassen konnte. Er habe Angela Merkel bei ihrem Vortrag am Vormittag zugehört, begann der SPD-Kanzlerkandidat am Dienstagmittag seine Rede beim Tag der deutschen Industrie in Berlin.

Merkel habe ihre Ausführungen als Bundeskanzlerin begonnen und am Ende gesagt, jetzt rede sie als CDU-Vorsitzende, erinnerte Schulz das wirtschaftsfreundliche Publikum. "Ich mache das umgekehrt", fuhr Schulz fort. "Ich beginne als SPD-Chef und höre als zukünftiger Bundeskanzler auf." Das mittäglich gesättigte Publikum applaudierte mit sichtlichem Vergnügen.

Merkel und Schulz lieferten sich am Dienstag ein indirektes Rededuell um die künftige Wirtschaftspolitik in Deutschland. Wobei Merkel es verstand, das Programm der politischen Konkurrenz in Zweifel zu ziehen, ohne Schulz oder die SPD überhaupt erwähnen zu müssen. Zwei Sätze reichten aus, um das kürzlich präsentierte SPD-Rentenkonzept für überflüssig zu erklären. Eine Rentenreform brauche es nicht, sagte sie. "Wir haben alle Reformschritte bis 2030 gemacht."

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Nach den Plänen von Martin Schulz sollen Gering- und Mittelverdiener um 15 Milliarden Euro entlastet werden. Zudem will die SPD 30 Milliarden Euro in Schulen, Infrastruktur und Digitales investieren.

Erst am Ende ihrer Redezeit, als sie auf die Steuerpolitik zu sprechen kam, lieferte Merkel unfreiwillig die Vorlage, die Schulz später nutzte. "Wir wollen Tarifentlastungen", sagte sie, "jetzt spreche ich mal als CDU-Vorsitzende, das genaue Konzept werden wir Ihnen vorstellen."

Wann genau das passieren soll, blieb offen. Ebenso, ob CDU und CSU sich auf eine gemeinsame Steuerpolitik einigen können. Beide Parteien wollen auf einer gemeinsamen Vorstandssitzung Anfang Juli das Wahlprogramm beschließen. Details sind noch strittig.

Die CDU-Vorsitzende bekräftigte frühere Pläne, den Soli-Zuschlag ab 2020 schrittweise abzuschaffen. "Und zwar für alle." Damit reagierte sie auf die Ankündigung von Schulz. Er plant, den Soli-Zuschlag für kleinere und mittlere Einkommen schon 2020 komplett abzuschaffen, danach schrittweise für alle übrigen Steuerzahler.

Merkel kritisierte die von Schulz angestrebten zusätzlichen Belastungen für Vermögende über eine höhere Erbschaftsteuer. An dem gerade mühsam erzielten Kompromiss für ein neues Erbschaftsteuerrecht werde sie "nicht rühren". Und eine Wiederkehr der Vermögensteuer halte sie für "das absolut falsche Signal".

SPD-Steuerpläne entlasten auch Gutverdiener

Die SPD hatte am Montag steuerliche Entlastungen in Höhe von 15 Milliarden Euro vor allem für kleine und mittlere Einkommen in Aussicht gestellt. Die Summe soll durch zusätzliche Belastungen für Vermögende gegenfinanziert werden. Die SPD will Bürger mit sehr geringen Einkommen über staatliche Zuschüsse bei den Sozialabgaben entlasten. Steuerzahler mit geringem oder mittlerem Einkommen sollen von einem erst später greifenden Spitzensteuersatz profitieren. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen wieder paritätisch die gesetzliche Krankenversicherung finanzieren, zudem sind für Familien Tarife mit Kinderbonus geplant.

Internen SPD-Berechnungen zufolge würde eine ledige Verwaltungsfachangestellte in Potsdam mit einem Jahreseinkommen von 31 200 Euro brutto um etwa 414 Euro jährlich entlastet. Eine Familie in Stuttgart mit einem Jahreseinkommen von 62 400 Euro und einjährigen Zwillingen würde 935 Euro jährlich weniger an Steuern und Abgaben zahlen - und 2900 Euro Kita-Gebühren sparen.

 Berechnungen des Berliner Steuerprofessors Frank Hechtner für die Süddeutsche Zeitung zeigen allerdings, dass die Steuerpläne der SPD auch Gutverdiener entlasten. Danach dürften Einzelpersonen bis zu einem Bruttojahresverdienst von 102 000 Euro mehr Geld übrig haben. Eheleuten mit Einverdienerhaushalt ohne Kinder werden bis 187 000 Euro Jahresbrutto entlastet. Die Belastung setzt erst bei Einkommen ein, die deutlich über dem Durchschnitt liegen.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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