Steueroasen:Ganz kleine Schritte

Erst Panama, jetzt die Bahamas - nach den Enthüllungen über bislang höchst verschwiegene Finanzplätze fordert eine empörte Öffentlichkeit schwarze Listen und andere Konsequenzen. Doch die lassen auf sich warten.

Von Cerstin Gammelin und Frederik Obermaier

Auf die Panama Papers folgen die Bahamas-Leaks. Ist die Steueroase Bahamas schlimmer als die Steueroase Panama?

Die Bahamas liegen laut dem Steueroasen-Experten Nicholas Shaxson "auf einer Höhe mit Panama, was den Durst auf und das Tolerieren von schmutzigem Geld angeht". Während sich viele Steueroasen derzeit internationalem Druck beugen und (kleine) Zugeständnisse machen, stemmten sich die Verantwortlichen auf den Bahamas dagegen, sagt Shaxson, der das Steueroasen-Standardwerk "Schatzinseln - Wie Steueroasen die Demokratie untergraben" verfasst hat. Das Land hat sich zwar zum automatischen Informationsaustausch bereit erklärt, jedoch nur mit einigen Ländern.

Nach den Panama Papers hat die Welt angefangen, über undurchsichtige Briefkastenfirmen zu diskutieren. Ist das der Anfang vom Ende der Steueroasen?

Danach sieht es nicht aus. Es gibt lediglich Überlegungen, derartige Geschäftsmodelle abzuschaffen, aber keine konkreten Schritte, die umgesetzt wurden. Die Staaten der OECD und der G-20 sowie die Europäische Kommission haben Initiativen gestartet, vor allem, um einen einheitlichen Standard zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten einzuführen. Die Bundesregierung verhandelt zum Beispiel bilateral mit Panama, um gezielt Informationen über konkret verdächtige Steuersünder abfragen zu können. Die panamaische Regierung hat ein entsprechendes Abkommen allerdings bisher nicht unterzeichnet. Parallel dazu reden Unterhändler beider Länder über den automatischen Austausch von Kontendaten. Auch der deutsche Botschafter hat mehrmals bei örtlichen Regierungsvertretern vorgesprochen. Bisher ohne Erfolg. Einziger Lichtblick: Im Oktober kommt der Präsident Panamas - ein guter Freund der Eigentümer jener Kanzlei, die im Mittelpunkt der Panama Papers stand - auf Staatsbesuch nach Berlin. Die Bundesregierung hofft, dass bei der Gelegenheit zumindest eine Vereinbarung über die Herausgabe von Daten bei konkreten Verdachtsfällen unterschrieben werden kann. Das wäre nützlich, um aus den Panama Papers bekannt gewordene Steuerflüchtlinge zur Kasse bitten zu können.

Die panamaische Regierung hatte schon nach den Panama-Papers-Veröffentlichungen Besserung versprochen. Eine Expertenkommission sollte Reformvorschläge erarbeiten. Was ist daraus geworden?

Die Kommission ist faktisch gescheitert. Ausgerechnet die beiden bekanntesten Experten Mark Pieth und Joseph Stiglitz haben die Arbeitsgruppe im August verlassen. Der Grund: Die panamaische Regierung habe sich nicht an Absprachen gehalten und offenbar kontrollieren wollen, welche Empfehlungen und Befunde der Kommission veröffentlicht werden. Das panamaische Parlament stimmte im September sogar einem Gesetzesentwurf zu, wonach Staaten und internationale Organisationen, die Steuerparadies-Vorwürfe gegen Panama erheben, künftig mit Sanktionen belegt werden können.

Niemand kann mehr leugnen, dass intransparente Firmenstrukturen dubiose Figuren anlocken, mitunter sogar Verbrecher. Was müsste sich ändern?

In einer idealen Welt müsste es weltweit geltende Standards für Steuermodelle sowie ein globales Datennetzwerk geben. Aber die Welt ist nicht ideal. Die in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammengeschlossenen Industrieländer einschließlich der Bundesrepublik haben deshalb einen Aktionsplan verabschiedet, um gegen ausgeklügelte Firmenkonstruktionen vorgehen zu können, die ausschließlich dazu dienen, Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verschieben. Die OECD empfiehlt allen Staaten, per Gesetz die verpflichtende Offenlegung von Steuersparmodellen vorzuschreiben. Berater oder Banken, die an solchen Modellen mitarbeiten und das nicht anzeigen, sollen mit Bußgeldern belegt werden können. Die Bundesregierung ist noch unentschlossen, ob sie die Vorgabe umsetzt. Der Bundesrat hat sie am 3. Juni 2016 aufgefordert, eine entsprechende Anzeigepflicht für Banken und Berater einzuführen. Das Bundesfinanzministerium hat dazu beim Max-Planck-Institut ein Gutachten angefordert, das im September vorliegen soll. In Europa wird vom Herbst an über die Anzeigepflicht beraten.

Welche Länder weltweit sind denn nun überhaupt Steueroasen? Wo kann man das nachlesen?

Bei jedem größeren Steuer- oder Finanzskandal wird der Ruf nach schwarzen Listen für Steueroasen laut. Das war in der Finanzkrise 2008 so, bei den Enthüllungen über Finanzplätze wie Luxemburg oder Liechtenstein 2013/14 und zuletzt bei den Panama Papers. Harte Konsequenzen hat dieser Ruf bisher nicht gehabt. Die EU-Kommission hat 2015 zwar eine Liste von 30 nicht-kooperativen Steueroasen angefertigt, auf der auch die Bahamas stehen. Die Behörde betont aber, dass dies keine schwarze Liste ist - wie sie umgangssprachlich genannt wird. Die einzelnen Staaten schrecken nämlich davor zurück, sich gegenseitig an den Pranger zu stellen.

Weil sie aber unter dem Druck der empörten Öffentlichkeit nicht untätig verharren können, beginnen sie bei jedem Steuerskandal neu damit, wissenschaftlich fundierte, einheitliche Kriterien abzustimmen, mit denen Praktiken zur Steuerhinterziehung und -vermeidung bewertet werden können. So auch nach den Panama Papers: Die Finanzminister der Europäischen Union haben die Staats- und Regierungschefs wieder einmal dazu aufgefordert, an einer EU-einheitlichen schwarzen Liste für Steuerzwecke zu arbeiten. Vor Ende nächsten Jahres ist nicht mit einem Ergebnis zu rechnen. Dass Deutschland bis dahin eine nationale Liste führt, schließt die Bundesregierung aus. Das Argument ist bekannt: Ein Flickenteppich nationaler Listen sei nicht geeignet, nicht-kooperative Staaten zum Einlenken zu bewegen, heißt es. Der Kampf gegen Steuervermeider könne nur gemeinsam gewonnen werden.

Welche Rolle spielen die USA?

Die Vereinigten Staaten haben maßgeblich das Ende des Bankgeheimnisses durchgesetzt. Die großen Erfolge im internationalen Kampf gegen Steuerhinterziehung gehen auf die Initiative der USA zur Einführung des automatischen Informationsaustauschs über Kontendaten zurück. Beim Lüften von Steuergeheimnissen sieht es anders aus. Die USA haben sich bisher nicht zum automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten bekannt. Sie werden auf der OECD-Liste der bisher an diesem Austausch teilnehmenden 101 Länder lediglich in einer Fußnote genannt. Die Bundesregierung hat bisher vergebens versucht, die USA zur Unterschrift zu bewegen. Außerdem darf nicht vergessen werden: Einige Steueroasen liegen auf amerikanischem Gebiet - etwa die Staaten Wyoming, Delaware und Nevada.

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