Steuern:Langes Gedächtnis

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Früher galt für saubere Dieselautos ein Steuererlass - doch der könnte nun hinfällig sein - im Nachhinein. Kann der Fiskus nun Geld zurückfordern? Der Abgas-Skandal wirft jedenfalls auch einige streuerrechtliche Fragen auf.

Von Klaus Ott

Das deutsche Steuerrecht gilt als eines der kompliziertesten weltweit. Anwälte reden gerne von einem "Buch mit sieben Siegeln" oder gar einem "Paragrafendschungel", wenn sie ihren Mandanten die einschlägigen Normen und deren Auswirkungen zu erklären versuchen. Noch komplizierter wird es aber, wenn es um die Kraftfahrzeugsteuer geht. Die war mal Sache der 16 Länder, wurde dann gewissermaßen gemeinsam von Ländern und Bund verwaltet und obliegt jetzt der Bundesregierung und den ihr angeschlossenen Behörden, was aber nicht alles einfacher macht. Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg ist ebenso zuständig wie der Zoll. Auch das ist ein Dschungel. Wer da hindurch muss, braucht Zeit und Geduld.

Dies erklärt, warum es bislang nicht einmal Schätzungen über mögliche Steuerschäden in Folge der VW-Affäre gibt, die seit mehr als zwei Wochen den Autokonzern, die Bundesregierung und andere Institutionen schwer beschäftigt. Dass der Fiskus ebenfalls betrogen worden sein könnte, liegt auf der Hand. Ende des vergangenen Jahrzehnts waren Diesel-Autos zeitweise von der Steuer befreit, wenn sie die europäische Abgasnorm Euro 5 erfüllten, wenn also der Schadstoffausstoß entsprechend gering war. Nun zeigt sich, dass VW Abgasmessungen der Behörden manipuliert hat, nicht nur in den USA, wo die Affäre begonnen hat, sondern wohl auch in Deutschland und im Rest von Europa.

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), der bereits viele Banken wegen deren Schwarzgeldkonten heftig attackiert hat, nimmt sich nun auch VW vor. Sollten Kfz-Steuern zu niedrig festgesetzt worden sein, müsse sichergestellt werden, "dass der Schaden nicht zulasten der getäuschten Fahrzeughalter, aber nicht zulasten der Allgemeinheit geht". Volkswagen müsse dann zahlen, und die Bundesregierung müsse das sicherstellen, fordert Walter-Borjans in einem Schreiben an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Dessen Ressort hat noch keinen Überblick über mögliche Steuerschäden. Erst einmal muss nach Auskunft von Schäubles Haus das Bundesverkehrsministerium die "verkehrsrechtlichen Folgen" der Abgas-Affäre klären. Eine von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eingesetzte Untersuchungskommission ist am Werk. VW will Anfang 2016 eine Rückrufaktion starten und zahlreiche Autos umrüsten. Was das für die bisherigen Zulassungen in Deutschland bedeutet, muss das Kraftfahrt-Bundesamt entscheiden. Deren Bescheide wiederum sind maßgeblich für die Besteuerung der Fahrzeuge.

Anschließend könnten die Steuern rückwirkend neu festgesetzt und nachträglich fällige Abgaben eingetrieben werden. Zeitlich wäre das kein Problem, da die Verjährungsfrist zehn Jahre beträgt. Aber die Abwicklung bei den Behörden könnte zum Problem werden. Bis Mitte 2009 war die Kfz-Steuer eine Ländersteuer, danach wurde sie zur Bundessteuer, aber bis Mitte 2014 weiter von den Ländern verwaltet. Seither ist der Zoll zuständig. Bleibt noch VW. Hat der Konzern Erkenntnisse über den Umfang möglicher Steuernachzahlungen? Wäre man bereit, die anstelle der Autobesitzer selbst zu übernehmen? Diese Fragen, antwortet VW, seien "zum jetzigen Zeitpunkt spekulativ".

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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