Steuern:Keine Kunst

Trauer- und Hochzeitsredner ringen um Geld und Anerkennung. Denn ihr Einsatz bei Sterbefällen und anderen Anlässen gilt Finanzrichtern nicht als künstlerische Tätigkeit.

Von Matthias Drobinski

Trauerredner fürchten sonst jedes falsche Wort, Ernst Cran ist das jetzt egal. Der Zorn muss raus. Eine "Riesensauerei" sei das, "hundsgemein!". Ernst Cran aus Nürnberg hat Ärger mit dem Finanzamt, mit einer Nachforderung, die ihn, nimmt er die Verzugszinsen und die Anwaltskosten hinzu, "60 000 Euro kostet", wie er sagt und er fügt hinzu, dass ihn das an den Rand der Pleite bringe. Doch Cran geht es um viel mehr als ums Geld. Ihm geht es um die Grundsatzfrage: Ist die konfessionsfreie Rede Kunst? Der Streit wird demnächst den Bundesfinanzhof in München beschäftigen, das oberste deutsche Steuergericht.

Natürlich mache er Kunst, sagt Cran - Wortkunst, Lebensbegleitungskunst. Cran war Pfarrer der evangelischen Landeskirche Bayerns und bekannt als Mitglied der Punkband Die groben Popen. Doch zunehmend empfand er seine Kirche als zu dogmatisch. Er quittierte den Dienst und machte sich 2003 als freier Redner selbständig. Der Kreis der Kunden wuchs, "auch weil die Leute merken, dass bei mir keine Rede ist wie die andere", wie er stolz anmerkt. 180 Trauerreden hält er im Jahr, dazu zwei Dutzend Ansprachen auf Hochzeiten, Geburtstagen und "Lebensbegrüßungsfeiern" für Neugeborene. Weil sich Cran als Künstler sieht - so wie die meisten freien Redner - erhob er nur den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent und rechnete entsprechend mit dem Finanzamt ab. Nie habe es Probleme gegeben, sagt er.

Bis alles anders wurde. Nicht alle Finanzämter hielten die Trauerrede für Kunst und verlangten, dass die Redner den vollen Mehrwertsteuersatz abrechneten. Und 2010 entschied der Bundesfinanzhof: Die freie Rede ist voll mehrwertsteuerpflichtig. Das wäre zumindest finanziell für die Redner tragbar, schließlich können sie die Mehrwertsteuer einfach dem Kunden in Rechnung stellen. Doch 2011 stand Cran und vielen anderen Kollegen eine Betriebsprüfung ins Haus. Auf einmal sollte er die volle Mehrwertsteuer seit 2006 nachzahlen - "das kann ich mir nirgendwo zurückholen", sagt Cran. Er klagte gegen das Finanzamt.

Am 27. Juli kam nun der Bescheid des Finanzhofs: Kunst, so urteilten die Richter, werde geprägt von der "eigenschöpferischen Leistung", die aber gehe dem Trauer- oder Hochzeitsredner ab, der arbeite "in der Regel mit Redeschablonen". Überhaupt ersetze der Redner den Pfarrer, und die seien ja auch keine Künstler. Die Steuer müsse gezahlt werden.

Redeschablonen! Ernst Cran kann es nicht fassen: "Ich bin mindestens genauso ein Künstler wie der Auftragsmaler, der den Enkel des Kunden malt!", ruft er. Die Finanzhofrichter begriffen nicht, "welche wichtige Aufgabe wir in der Gesellschaft haben, wie sehr wir Kulturträger geworden sind". Und dass Pfarrer schlecht predigen können, und trotzdem nie ein Problem mit der Mehrwertsteuer haben, ärgert ihn besonders.

Eine Chance hat er noch, der Nachzahlung zu entgehen: Er hat den Bescheid des Bundesfinanzhofs nicht akzeptiert, es wird eine mündliche Verhandlung geben. Dass es sich die Richter dort anders überlegen, glaubt er kaum, "wir haben halt keine Lobby". Aber einmal will er es noch öffentlich sagen: Beerdigungsredner sind Künstler!

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