Steuerbetrug:Wenn der Teller zu voll ist

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Wer hat hier das Sagen? Um die Panama Papers ist ein seltsamer Streit zwischen Fahndern aus Nordrhein-Westfalen und dem BKA entbrannt - der auch mit Eifersucht zu tun hat.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

MünchenErmittlungen im Fall der Panama Papers haben zu einem ungewöhnlichen Streit zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Bundeskriminalamt (BKA) geführt. Es geht um die Frage von Zuständigkeiten und um den Vorwurf mangelnder Kooperation. Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjahns (SPD) erklärte am Wochenende, die "erfolgreiche Arbeit der NRW-Steuerfahndung wird vom Bundeskriminalamt torpediert". Auch andere SPD-Politiker kritisierten die Bundesbehörde. Eine offizielle Stellungnahme des BKA zu den Vorwürfen liegt nicht vor. Aus Kreisen des Amtes heißt es jedoch, die Attacken aus Düsseldorf seien "nicht nachvollziehbar" und "unprofessionell".

Seit drei Jahren ermitteln Staatsanwälte, Kriminalbeamte und Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen im Fall Panama. Die Staatsanwaltschaft Köln führt das Verfahren. Unterstützt werden die Strafverfolger von der Ermittlungsgruppe "Organisierte Kriminalität und Steuerhinterziehung" (EOKS), die beim Landeskriminalamt Düsseldorf eingerichtet wurde. Das Bundesland war 2014 - wie berichtet - durch ein Datenleck in den Besitz zahlreicher Unterlagen gelangt, die mit Panama und der Offshore-Kanzlei Mossack Fonseca zu tun haben. Hunderte Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung, der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche wurden eingeleitet.

Das Land überschätze sich und seine Kompetenzen, heißt es beim Bundeskriminalamt

Mit dem panamaischen Oberstaatsanwalt Romulo Santos Bethancourt, der in seinem Land das Verfahren gegen Mossack Fonseca führt, wurden vorigen Monat in Den Haag ausführliche Gespräche zu einer zukünftigen engen Kooperation in dem Fall vereinbart. Bei einem für den Frühsommer geplanten Treffen in Panama soll es auch um die Frage gehen, ob ein gemeinsames Ermittlungsteam der Panamesen und der Fahnder aus Nordrhein-Westfalen gebildet wird.

Dann kam vor kurzem und etwas überraschend das BKA ins Spiel. Es ermittelt neuerdings im selben Umfeld wie die NRW-Kollegen. Gerüchteweise heißt es in Wiesbaden, die Behörde sei an einen Teil des Datenbestandes der Panama Papers über Fonsecas Kanzlei gelangt. Die Unterlagen sollten jetzt zentral vom BKA mit Hilfe hessischer Steuerfahnder bearbeitet und dann an die Behörden in den Bundesländern verteilt werden. Die Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen jedoch solle zunächst draußen bleiben. Das Land überschätze sich und seine Kapazitäten, heißt es in Wiesbadener Kreisen: "NRW macht sich den Teller zu voll."

Das Bundeskriminalamt will jetzt selbst Beamte nach Panama schicken, um auszuloten, ob ein Informationsaustausch mit den Behörden dort möglich ist. Die Steuerfahndung aus Düsseldorf soll nicht dabei sein dürfen, jetzt habe das BKA das Sagen. Bei einem Treffen am Freitag voriger Woche zwischen Behördenvertretern aus Nordrhein-Westfalen und Hessen soll die Stimmung entsprechend angespannt gewesen sein. Teilnehmer des Gesprächs aus beiden Lagern umschrieben die Atmosphäre als "fast feindselig", wollten aber keine Einzelheiten dazu preisgeben.

Das alles mag dem Laien wie der Streit in der Sandkiste erscheinen, hat aber offenbar einen politischen Hintergrund. Es gibt Eifersüchteleien und Neid gegenüber den Fahndern aus Düsseldorf, die beim Kampf gegen große Steuerbetrüger unumstritten die Nummer eins in der Republik sind. Wohlwollende Kritiker räumen ein, dass das Land dafür Strukturen geschaffen habe, die andere eben nicht haben - und dadurch Erfolge erziele, die anderen ebenfalls fehlen. Wie zu hören ist, meinen manche im Hickhack der Behörden um Kompetenzen und Zuständigkeiten, "die aus NRW" müssten jetzt mal ausgebremst werden.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in Hintergrundgesprächen gelegentlich Unmut über Alleingänge aus Nordrhein-Westfalen geäußert. Aus Sicht von dessen Fahndern ist die Kritik unberechtigt. Sie dagegen beklagen oft mangelnde Unterstützung der Kollegen in den anderen Ländern. Nun hat sich die Landesregierung direkt in den Streit eingeschaltet: Ihr Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) beklagte am Wahlwochenende "Schikane gegen NRW".

Warum schaffen es die beteiligten Behörden nicht, vernünftig zu kooperieren?

Das BKA drängt offenbar auch darauf, dass die seit drei Jahren laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln im Fall Panama von der Bundesbehörde selbst und hessischen Behörden weitergeführt werden. Aus Düsseldorfer Justizkreisen verlautet, man werde dies keinesfalls mitmachen. Zwar seien schon die meisten Fälle, die Aktenzeichen aus dem Jahr 2014 tragen, abgearbeitet. Offen seien aber noch wichtige Beihilfe-und Geldwäscheverfahren und vor allem die Ermittlungen gegen die Führung der Offshore-Kanzlei, so gegen den Deutschen Jürgen Mossack, der mit im Zentrum der Panama Papers steht.

Was für eine merkwürdige Geschichte: Das Bundesland und das Bundeskriminalamt haben beide viel Erfahrung mit aufwendigen Verfahren. Wenn es Bedarf an nationaler und internationaler Koordinierung gibt, spricht manches für das Bundeskriminalamt, denn dies ist seine Aufgabe. Aber warum keine Kooperation? Die Düsseldorfer EOKS-Ermittler und die Kölner Strafverfolger jedenfalls wollen wie geplant mit einer eigenen Truppe nach Panama reisen.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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