Steueraffäre:Der Informant - Geldgier oder Rache?

400 Millionen Euro sollen die Daten auf der CD einbringen. Niemand weiß, was den Verkäufer antreibt. Mit Computern kennt er sich aber sehr gut aus.

Hans Leyendecker

Der Mann, der das Land spaltet, meldete sich vor knapp einem Jahr bei der Wuppertaler Steuerfahndung. Er besitze vertrauliche Daten der Credit Suisse, betonte er, und er soll behauptet haben, die Bank habe systematisch und in großem Stil Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet. Er finde es anstößig, dass wirklich reiche Leute ihr Geld an der Steuer vorbei vermehrten, soll er noch gesagt haben. Dann soll er einen Millionenbetrag für interne Unterlagen des Geldhauses Credit Suisse verlangt haben.

Schweiz, Datendieb, Steuerhinterziehung, dpa

Wer ist der rätselhafte Verkäufer und was treibt ihn an? Auch die Bildagenturen behelfen sich mit Symbolbildern.

(Foto: Foto: dpa)

Seit der Fall des früheren LGT-Mitarbeiters Heinrich Kieber publik geworden ist, der im Juni 2007 für 4,6 Millionen Euro Daten der Liechtensteiner LGT Treuhand an deutsche Behörden verkauft hatte, melden sich immer wieder mal Informanten mit einer solchen oder einer ähnlichen Geschichte bei Ermittlern. Sie können die Ungerechtigkeit dieser Welt nicht mehr ertragen und um den Schmerz über alle die Bösartigkeiten zu lindern, verlangen sie Geld für Ware. Auch Auspacken kann ein Geschäftsmodell sein.

Wer der Unbekannte ist, wie er heißt, was er von Berufs wegen macht, ob er Rache am Management der Schweizer Bank nehmen will oder ob er im Innersten nur geldgierig ist - das alles ist derzeit noch nicht bekannt. Die Wuppertaler Steuerfahnder, die eingeschaltete Düsseldorfer Oberfinanzdirektion, das NRW-Finanzministerium und auch das Bundesfinanzministerium schweigen sich über seine Identität aus. Normalerweise sind solche Anbieter Computerspezialisten, manchmal verstehen sie sich sogar aufs Hacken.

Die Wuppertaler Fiskus-Beamten, die große Erfahrung mit monströsen Verfahren gemacht haben, prüften das Material. Sie sollen wie elektrisiert gewesen sein. Der Unbekannte übergab ein halbes Dutzend Arbeitsproben. Die Fahnder hatten ihn um eine Namensliste von Personen aus Nordrhein-Westfalen gebeten, weil sie auf deren Steuerakten Zugriff hatten. Sie verglichen die Kontodaten mit den Akten und es waren allesamt große Treffer. Jetzt informierten sie ihre Vorgesetzten.

Der Unbekannte lieferte weitere hundert Namen aus der Liste, und es waren wieder viele Treffer dabei. Inzwischen war es Herbst geworden und der Fall war ein Politikum. Zwar liegen Aufkäufe von Datensammlungen in der Hoheit der Länder, aber der Fall war selbst für Düsseldorf eine Nummer zu groß. Die Regierung in Berlin wurde informiert. Inzwischen lag der Preis für die Ware bei 2,5 Millionen Euro.

Den Beteiligten war klar, dass der Fall eine Debatte über Gerechtigkeit, aber auch über angebliche Hehlerei des Staates auslösen konnte. In die internen Diskussionen kam Bewegung, als am 30. Januar dieses Jahres die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Süddeutsche Zeitung parallel Informationen über den Fall publizierten. In Berlin kam Hektik auf. Führende Christdemokraten betonten, Hehlerware dürfe nicht gekauft werden, andere meinten, der Verzicht auf den Kauf sei weltfremd.

Die 2,5 Millionen Euro für den Datenklauer bewegten die politische Szene, und den originellsten Ansatz fand der schleswig-holsteinische CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Wenn kein anderer kaufe, könne Kiel das Geld zahlen, betonte er intern. Aber die Steuer, die bei solchen Ermittlungen eingetrieben wird, bekommt nicht das Land, das zahlt, sondern es landet bei den Finanzämtern, in deren Zuständigkeit die Steuerhinterzieher leben.

Am Dienstagabend teilte das Bundesfinanzministerium der Düsseldorfer Regierung mit, dass einem Kauf nichts mehr im Wege sehe. Genau in diesen Tagen traf sich der Informant wieder mit der Steuerfahndung. Jetzt geht es zunächst um Formalitäten: Die 2,5 Millionen Euro soll Düsseldorf zahlen. Die Hälfte davon wird der Bund übernehmen. Der Rest wird dann auf die Länder aufgeteilt. Wer wie viel zahlt, wird auch davon abhängen, in welchem Bundesland die Steuersünder wohnen. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten in Bayern, Baden-Württemberg und Nordhrein-Westfalen leben. Diese Aufzählung ist auch eine Reihenfolge.

Für den Kauf wird im NRW-Haushalt wohl eine neue Kostenstelle eingerichtet. Eine solche Summe ist in dem 53,3 Milliarden Euro umfassenden Etat leicht unterzubringen.

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