Steinmeier und Fischer unter Druck:"Deutschland hatte nie Interesse an Kurnaz"

Die frühere Bundesregierung wird im Fall Kurnaz erneut schwer belastet: Der Ex-Guantanamo-Beauftragte der USA behauptet, die Vereinigten Staaten hätten den Bremer Türken frühzeitig freigelassen - wenn Rot-Grün nur daran interessiert gewesen wäre.

Peter Blechschmidt

Der ehemalige Sonderbeauftragte der US-Regierung für die Guantanamo-Gefangenen, Pierre-Richard Prosper, widersprach mit seiner Aussage im ARD-Magazin "Monitor" vor allem Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne).

Dieser hatte am vergangenen Montag im Untersuchungssausschuss des Bundestages versichert, er habe sich bei seinem damaligen amerikanischen Amtskollegen Colin Powell für die Freilassung des Bremer Türken Murat Kurnaz eingesetzt. Außenamtssprecher Martin Jäger sagte dazu, die Äußerungen Prospers seien nicht nachvollziehbar.

Wenn die USA Kurnaz tatsächlich hätten freilassen wollen, hätte sie nichts daran gehindert. Auch Aussagen deutscher Beamter sowie Akten und E-Mails belegten zahlreiche Bemühungen des Auswärtigen Amtes um die Freilassung von Kurnaz. Fischer sagte der Süddeutschen Zeitung: "Der Name Prosper sagt mir nichts. Ich habe vor dem Ausschuss nach bestem Gewissen ausgesagt und dem nichts hinzuzufügen."

"Ich war der Verantwortliche"

Demgegenüber sagte Prosper zu "Monitor": "Während meiner Amtszeit (bis Dezember 2005, Anm. d. Red.) hat Deutschland mir gegenüber nie Interesse angezeigt, sich um die Rückkehr von Kurnaz zu bemühen. Und ich war der Verantwortliche, die Schlüsselperson für die US-Regierung in dieser Frage."

Prosper verwies darauf, dass Kurnaz 2006 freigelassen wurde, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich persönlich bei Präsident George W. Bush für ihn eingesetzt hatte. "Wäre Deutschland, sagen wir im Jahr 2003, bereit gewesen, dasselbe für Kurnaz zu tun wie im Jahr 2006, wir hätten dasselbe Ergebnis gehabt, nämlich dass Kurnaz nach Hause überstellt worden wäre."

Unbestritten ist, dass die damalige Bundesregierung dies nicht wollte. Am 29. Oktober 2002 hatten die Präsidenten der deutschen Geheimdienste in Anwesenheit des damaligen Kanzleramtschefs und jetzigen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) beschlossen, Kurnaz sei ein Sicherheitsrisiko und solle nicht nach Deutschland zurückkehren.

Ausschuss vertagt Vernehmung Hannings

Wie es zu dieser Entscheidung kam, dazu sollten am Donnerstag im BND-Ausschuss unter anderen der ehemalige BND-Präsident und jetzige Innenstaatssekretär August Hanning sowie sein Nachfolger beim BND, Ernst Uhrlau, befragt werden.

Der Ausschuss beschloss jedoch auf Vorschlag des Vorsitzenden Siegfried Kauder (CDU), diese Vernehmung auf kommende Woche zu vertagen, weil Akten des Bremer Verfassungsschutzes noch nicht vorliegen.

Dabei geht es um einen Vermerk des Bremer Verfassungsschutzchefs Walter Wilhelm vom Februar 2002, wonach Kurnaz mehrfach aus Pakistan mit einem islamischen Prediger in Bremen telefoniert und seinen bevorstehenden Kampfeinsatz bei den Taliban in Afghanistan angekündigt habe.

Diese Einschätzung hatte maßgeblich zur Entscheidung der sogenannten Präsidentenrunde im Kanzleramt beigetragen. Wie Wilhelm am Montag im Ausschuss ausgesagt hatte, beruhte dieser Vermerk auf den Angaben einer "Quelle", die diese Information von Dritten gehört haben wollte.

Wilhelms früherer Stellvertreter Lothar Jachmann sagte allerdings zu "Monitor": "Wir hatten alle nichts auf der Pfanne, weder die Amerikaner, noch der BND, noch der Verfassungsschutz."

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