Steinmeier und die Rente mit 67:Der vorletzte Strohhalm

SPD-Fraktionschef Steinmeier gaukelt der Basis in der Rentenpolitik Entgegenkommen vor, weil er nicht zum Buhmann des Parteitages werden will. Ein gefährliches Manöver.

Thorsten Denkler

Wenn die Agenda 2010 und Hartz IV noch nicht gereicht haben, spätestens die Rente mit 67 hat die Wähler in Massen von der SPD fortgetrieben. Es war ein Projekt, das die Union wollte, aber von Franz Müntefering als damaligem SPD-Arbeits- und Sozialminister mit hohem persönlichem Einsatz umgesetzt wurde. Ein Projekt, das unter Fachleuten prinzipiell unumstritten ist. Aber auch eines, das in der SPD-Wählerschaft mit Fassungslosigkeit aufgenommen wurde.

Steinmeier dpa

Ist Steinmeier plötzlich auf den rechten Pfad der Gewerkschaften gekommen?

(Foto: Foto: dpa)

Erst sorgt die SPD mit Hartz IV dafür, dass lange Erwerbsbiographien kein Wert an sich mehr sind. Dann forciert sie eine in den Augen vieler Bürger massive Rentenkürzung, weil die, die nicht bis 67 arbeiten können, die Gekniffenen sein werden. Also all die Arbeiter und Malocher da draußen, die sich tagein, tagaus den Rücken krumm schuften, während der Angestellte am Schreibtisch noch bis 80 durchhalten würde, wenn er nicht vor Langeweile vorher vom Stuhl fällt.

Trotz aller Kritik, die Rente mit 67 wurde wie zuvor die Agenda 2010 durchgedrückt. Änderungswünsche blockten Müntefering und später auch Frank-Walter Steinmeier radikal ab.

In der Opposition aber ist offenbar wieder alles möglich. Steinmeier, der krachend gescheiterte Kanzlerkandidat und neue Fraktionschef der SPD, will, dass Schwarz-Gelb im kommenden Jahr die Rente mit 67 überprüft.

Ist Steinmeier plötzlich auf den rechten Pfad der Gewerkschaften gekommen? Hat er eine Art rentenpolitische Erleuchtung gehabt? Mitnichten. Er hat lediglich auf das Gesetz verwiesen, in dem eine Überprüfung festgeschrieben ist. Was dabei rauskommt, ist leicht vorherzusehen, egal welche Koalition gerade regiert: Nach den demographischen Erkenntnissen ist eine Anhebung des Rentenalters mehr als richtig. Das war's. Steinmeier wird das nicht anders sehen.

Doch als amtierender Fraktionschef will er offenbar nicht neben dem scheidenden Parteichef Müntefering zum Buhmann des Parteitages in Dresden werden. Darum gaukelt er der verbitterten Basis Entgegenkommen vor. Das ist ein derart durchschaubares Manöver, das es aussieht, als wäre es schon ein - sagen wir - vorletzter Strohhalm, an dem sich der einstige Vizekanzler festhält.

Die Delegierten werden ihm das nicht abnehmen. Steinmeier ist einer der härtesten Verfechter der Agenda-Reformen, er will nicht Altes verändern, sondern Neues besser machen.

Das kann man so sehen, steht aber den Wünschen der Basis diametral entgegen: Sie will das Alte besser machen, damit Neues entstehen kann. Anders sind die vielen Änderungsanträge zur Rente mit 67 nicht zu erklären. Wenn sich die durchsetzen, die eine radikale Abkehr von den Kernprojekten aus elf Jahren SPD-Regierungsbeteiligung fordern, dann wird Steinmeier erklären müssen, für wen er eigentlich noch Oppositionspolitik im Bundestag machen will. Im Namen der ganzen SPD wird er dann kaum noch sprechen können.

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