Steinmeier in Bayern:Operation Bierzelt gelungen

SPD-Vize Frank-Walter Steinmeier hat sich vieles von Gerhard Schröder abgeschaut. In einem bayerischen Bierzelt beweist der Außenminister, dass er fast genauso gut kämpferische Reden halten kann und die Sprache der gemeinen Leute spricht. Die setzen schon voll auf den Kanzlerkandidaten Steinmeier.

Bernd Oswald, Theuern

Eines muss man den Steinmeier-Kritikern lassen: Sie hatten den richtigen Ort für ihren Protest ausgewählt: Als der Außenminister ans Rednerpult im Bierzelt im oberpfälzischen Theuern tritt, erspäht er am anderen Ende des Zeltes eine Tibet-Fahne. Darüber steht: "Appeasement-Politik nein danke". Die Tibet-Sympathisantin verargt es dem Außenminister, dass er keine harten Worte gegen Pekings Tibet-Politik findet.

Steinmeier in Bayern: Kämpferisch im Bierzelt: Frank-Walter Steinmeier

Kämpferisch im Bierzelt: Frank-Walter Steinmeier

(Foto: Foto: Bernd Oswald)

Doch die Tibet-Fahnenträgerin hat aufs falsche Pferd gesetzt: Im Festzelt zu Theuern bei Amberg geht es nicht um Außenpolitik. Es spricht zwar der Bundesaußenminister, aber seine Diplomatenplatte hat er heute zu Hause gelassen. Frank-Walter Steinmeier spricht als Innenpolitiker. Er spricht als Wahlkämpfer. Offiziell für Franz Maget, den Spitzenkandidaten der bayerischen SPD für die Landtagswahl im September.

De facto macht er auch für sich selbst Wahlkampf, denn die Bundes-SPD wird nicht mehr lange um die Frage herumkommen, wer den nun im kommenden Jahr Angela Merkel herausfordern soll.

Steinmeier würde diese Interpretation natürlich von sich weisen. Doch im Saal ist die Erwartung allgegenwärtig: Ein Mittfünfziger, SPD-Sympathisant, aber nicht Mitglied sagt schon vor der Rede des stellvertretenden SPD-Chefs: "Der wird Kanzlerkandidat. Steinmeier ist der stärkste Mann der SPD."

Der witzigste Mann der SPD

Zu Beginn seiner Rede scheint Steinmeier aber beweisen zu wollen, dass er der witzigste Mann der SPD ist. Er startet mit einem wahren Gag-Feuerwerk: "Solange Stoiber regierte, konnte sich die CSU sogar eine Frau Pauli leisten." Das finden die Leute im Zelt lustig. Dann witzelt Steinmeier über das Begräbnis des CSU-Gottvaters Franz Josef Strauß.

Als dessen politische Erben am Grab vorbeidefiliert seien, sei von unten die Stimme gekommen: "Die Messdiener werden auch immer kleiner." Auch dafür erntet Steinmeier noch Lacher.

Als er dann aber noch über Huber und Beckstein herzieht, die sich damit brüsteten, bei Merkel auf den Tisch gehauen zu haben, er, Steinmeier, sich aber persönlich davon überzeugt habe, dass besagter Tisch im Kanzleramt unversehrt sei, bleibt Gelächter aus. Ist Steinmeier nervös? Will er so den Saal und vor allem sich selbst auflockern?

Als er sieht, dass die CSU-Sottisen überraschend wenig ziehen, geht er zur Sachpolitik über. Mit den bayerischen Themen hält er sich nicht lange auf und ist schon bald bei der Bundespolitik angelangt: Genauer gesagt: bei der Verteidigung von Gerhard Schröders Erbe. Vor allem der Agenda 2010.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich Steinmeier wie ein heiserer Schröder anhört.

Operation Bierzelt gelungen

"Wir haben Wort gehalten", schallt Steinmeier kräftig, "was wir damals gesät haben, nach vielen gesellschaftlichen und innerparteilichen Diskussionen, das ernten wir heute." Damit meint er vor allem die sinkende Arbeitslosigkeit. "In den nächsten zehn Jahren können wir das Wort Vollbeschäftigung in den Mund nehmen", ruft Steinmeier an der Grenze zum Schreien.

Das kommt hervorragend an vor den gut 1000 Zuhörern in der Oberpfalz, wo die Arbeitslosenquote höher ist als in den meisten anderen bayerischen Regierungsbezirken.

Von Gauklern und Märchenerzählern

Die Linkspartei verteufelt er gleich mehrmals als "Gaukler und Märchenerzähler", stellt sie als Populisten hin. "Populismus ist das Markenzeichen der Rat- und Hilflosen", spottet der sichtlich schwitzende Steinmeier - und das obwohl er das Sakko noch vor Beginn der Rede abgelegt hat.

Und natürlich gibt der Vizekanzler auch Ex-SPD und Nun-Linken-Chef Oskar Lafontaine einen mit: "Als er die Möglichkeit hatte, mitzugestalten, hat er die Koffer gepackt und ist ausgebüxt."

Nicht nur inhaltlich, auch akustisch hört Steinmeier sich wie Schröder an, wie ein heiserer Schröder vielleicht. Auch der Duktus ist frappierend ähnlich: Oft presst Steinmeier die Worte mehr hervor, als dass er sie artikuliert.

Mit Schröder ist die SPD zumindest an den Wahlurnen nicht schlecht gefahren, hat immer besser abgeschnitten, als zuvor prophezeit. Steinmeier scheint nun auf diesen Spuren wandeln zu wollen. Er redet vielleicht noch nicht ganz so mitreißend wie sein Mentor, ist aber schon nahe dran.

45 Minuten hat sich Steinmeier sichtbar ins Zeug gelegt: Das Theurer Publikum zieht Steinmeier jedenfalls klar auf seine Seite: Als er nach 45-minütiger Rede mit klatschnass geschwitztem Hemd und vor Schweiß glänzendem Gesicht endet, erhält er drei Minuten Standing Ovations. Bezeichnender ist aber, dass der SPD-Vize - wieder ins Sakko gewandet - mehr als 15 Minuten Autogramme schreiben muss.

Erst am Rednerpult, dann auf dem Rücken von Franz Maget, schließlich am Biertisch, hinter dem sich eine meterlange Schlange bildet: Parteibuch um Parteibuch, Broschüre um Broschüre wird ihm gereicht.

Die Basis und auch die Nicht-Mitglieder scheinen in Steinmeier einen Sieger-Typ zu sehen, einen der ihre Sprache spricht: Eine Dame jenseits der 70 ist "begeistert" von Steinmeier, weil er sich "gibt wie jeder andere Bürger und nicht so überheblich ist. Er soll Kanzlerkandidat werden."

Daran zweifelt in Kümmersbruck, zu dem Theuern gehört, keiner. Auch Bürgermeister Richard Gaßner nicht, dem das Schlußwort zufällt: "Bei Frank-Walter Steinmeier zeigt der Karrierepfeil nach oben." Vizekanzler ist er ja schon.

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