Steinmeier in Afghanistan:Zwiespältige Eindrücke

Hoffnung und Ernüchterung bei der Afghanistan-Reise des Außenministers: Während Steinmeier die Arbeit von Bundeswehr und Polizei lobt, geht die Gewalt weiter.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sieht trotz der hohen Gefährdungslage in Afghanistan deutliche Fortschritte bei Aufbau, Fortbildung und Reform der dortigen Streitkräfte und Polizeieinheiten. Die Bundeswehr und die deutschen Polizeiausbilder leisteten hervorragende Arbeit bei Ausbildung und Training.

Steinmeier in Afghanistan: Bundesaußenminister Steinmeier besucht deutsche Truppen in Mazar-i-Sharif.

Bundesaußenminister Steinmeier besucht deutsche Truppen in Mazar-i-Sharif.

(Foto: Foto: AP)

Die Konzepte seien richtig und die Afghanische Nationalarmee (ANA) komme bei der Entwicklung eigener Strukturen gut voran, sagte er bei einem Besuch im Camp "Shaheen", etwa 35 Kilometer vom deutschen Feldlager Masar-i-Scharif entfernt. Zugleich bekräftigte er seine Sorge über den destabilisierenden Einfluss Pakistans auf die Sicherheitslage im Nachbarland Afghanistan.

Steinmeier legte unmittelbar nach seiner Ankunft im Bundeswehr-Camp "Marmal" in Masar-i-Scharif den Grundstein für ein neues Polizei-Ausbildungszentrum (German Training Center), das etwa 300 Meter vom Stützpunkt entfernt entsteht. Von September an sollen dort gleichzeitig 200 afghanische Polizisten ausgebildet werden.

Im Camp Shaheen werden nach Angaben des Leiters des Polizeiprojektteams für Afghanistan, Jürgen Hauber, in diesem Jahr 2000 Polizisten von deutschen Trainern in Seminaren geschult. Eines der Hauptprobleme sei die hohe Quote von Analphabeten - im aktuellen Lehrgang beispielsweise 88 von den 111 Teilnehmern.

Ähnliche Schwierigkeiten gibt es bei der Rekruten-Ausbildung der afghanischen Armee. "Drei Viertel der Rekruten müssen erst einmal lesen und schreiben lernen", sagte Oberstleutnant Andreas G. vom deutschen Ausbildungs- und Verbindungsteam (OMLT) im Camp Shaheen. "Wir bringen den Rekruten hier absolutes Basiswissen über die Infanterie bei."

Bessere Sicherheit nur in "einigermaßen gesundem Umfeld"

Deutschland ist mit 3500 Soldaten drittgrößter ISAF-Truppensteller, nach den USA (rund 23.500) und Großbritannien (etwa 8500). Das Mandat soll auf 4500 aufgestockt werden. Masar-i-Scharif ist das größte Bundeswehr-Feldlager außerhalb Deutschlands. Derzeit sind dort etwa 2500 Soldaten im Einsatz.

Steinmeier äußerte sich besorgt darüber, dass sich in Afghanistan die Sicherheitslage verschlechtert habe. Er sprach dabei erneut explizit die negative Rolle Pakistans an. Die Sicherheitslage in Afghanistan könne nur verbessert werden, wenn sich das Land in einem "einigermaßen gesunden Umfeld" entwickle.

"Es ist Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, Pakistan zurückzugewinnen für einen engagierten Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, der in vielen Fällen auch Ausgangspunkt ist für Terrorismus in Afghanistan", sagte der Politiker. Ranghohe Vertreter der Isaf-Schutztruppe bezeichneten Pakistan beim Besuch Steinmeiers am Samstag in Kabul als eines der "Top-Probleme" in der Region.

Über 50 Taliban-Kämpfer getötet

Die Gewalt in Afghanistan ging auch während des Besuchs von Steinmeier weiter. Afghanische Sicherheitskräfte haben im Einsatzgebiet der Bundeswehr im Nordosten des Landes nach Regierungsangaben den wichtigsten regionalen Taliban-Anführer getötet.

Das Innenministerium in Kabul teilte am Samstag mit, Mullah Usman sei getötet worden, als Bewaffnete unter seinem Kommando einen Kontrollposten der Polizei in der Provinz Tachar attackiert hätten. Die Polizei habe seine Leiche in ein Krankenhaus gebracht. Usman galt als der oberste Kommandeur der radikalislamischen Taliban in der Nordost-Region.

In der südostafghanischen Provinz Chost wurden nach offiziellen Angaben unterdessen mehr als 50 Taliban-Kämpfer getötet. Nach Angaben des Provinz-Gouverneurs, Said Arsallah Jamal, griffen in der Nacht zum Sonntag mehr als 100 Aufständische einen Posten der afghanischen Sicherheitskräfte an. Dabei seien zwei Polizisten getötet und vier weitere verletzt worden.

Den Angaben zufolge forderten die einheimischen Polizeikräfte nach Beginn des Angriffs Luftunterstützung der Internationalen Schutztruppe Isaf an. Bei dem Beschuss durch Kampfhubschrauber seien "zwischen 50 und 70" Taliban-Kämpfer getötet worden, sagte Jamal. Die übrigen Aufständischen seien geflohen. Die Nato-geführte Isaf bestätigte den Zwischenfall, machte jedoch keine Angaben zur Zahl der getöteten Aufständischen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: