Steinmeier im Irak:Die heikle Frage nach Soldaten

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"Diese Region kann keinen weiteren Konflikt vertragen, auch keinen zwischen der Türkei und dem Irak", mahnte Frank-Walter Steinmeier in Bagdad. Doch Iraks Regierung bleibt empört. (Foto: Khalid al-Mousily/Reuters)

Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagt dem Irak Unterstützung zu - doch Bagdad wünscht sich auch militärische Hilfe.

Von Stefan Braun, Bagdad

Dankbarkeit und neue Erwar-tungen liegen manchmal sehr nahe beiei-nander. Das bewies am Montag der iraki-sche Ministerpräsident Haidar al-Abadi in Bagdad. Während eines Besuchs von Au-ßenminister Frank-Walter Steinmeier dankte Al-Abadi Berlin für die Entscheidung, sich künftig auch mit Aufklärungstornados am Kampf gegen den so genannten Islamischen Staat (IS) zu beteiligen. ,,Gut und wichtig'' sei das, schwärmte al-Abadi - und fügte flott hinzu, dass er jetzt ,,auf weitere deutsche Hilfe bei Training und Ausbildung irakischer Armeeangehöriger'' hoffe. Das klang lapidar, aber wäre, würde es so kommen, ein Novum. Bislang bietet Deutschland nur den kurdischen Peschmerga im Nordirak Waffenhilfe und Ausbildung, nicht der irakischen Zentralregierung. Trotzdem betonte Steinmeier, Berlin höre sehr genau hin, wenn Bagdad Bedürfnisse äußere, sei es bei der Ausbildung, bei der Minenräumung oder bei der Entschärfung von Sprengfallen. Der Außenminister wollte nicht gleich Nein rufen, auch wenn es derlei für Bagdad kaum geben dürfte. Wer mag schon einem Regierungschef etwas ausschlagen, der mit seinem Land seit Jahren ums Überleben kämpft - gegen den Terror des so genannten Islamischen Staates , aber auch gegen einen inneren Zerfall, den derzeit niemand ausschließen kann. Zumal Bagdads Schwierigkeiten aktuell nicht geringer werden. Seit die Türkei vor wenigen Tagen nicht nur - wie schon lange praktiziert - Militärberater und Ausbilder, sondern offenbar auch größere Militäreinheiten mit schweren Waffen in die irakische Nordprovinz verlegt hat, wachsen die Spannungen zwischen Ankara und Bagdad. Die irakische Führung muss um die Souveränität im eigenen Land fürchten; Ministerpräsident al-Abadi fordert den sofortigen Abzug der neuen türkischen Militäreinheiten - und unterfüttert das mit scharfer Kritik an Ankara, weil es bis heute die Grenze zum Irak nicht angemessen schütze. Die Folge: Noch immer könne der IS ungehindert seinen illegalen Ölhandel betreiben und ausländische IS-Kämpfer in den Irak einschleusen.

Iraks Außenminister Ibrahim al-Dschafari wiederholte am Montag gar das Ultimatum vom Vortag, verlangte einen türkischen Rückzug bis Dienstagabend - und drohte, den Konflikt ansonsten auf die Bühne des UN-Sicherheitsrats in New York zu zerren. Noch provozierender dürfte für Ankara wie für den Gast aus Deutschland allerdings ein kleiner Zusatz wirken, den al-Dschafari leise anfügte: Noch habe sein Land Russland nicht um Hilfe gebeten, aber wenn Iraks Souveränität dauerhaft bedroht werde, dann. . . Den Rest ließ Dschafari offen. Auch so wusste jeder, was gemeint war.

Steinmeier reagierte entsprechend; er lächelte ein bisschen süßsauer und warnte Bagdad wie Ankara davor, den Streit weiter zu treiben. In dieser spannungsreichen Weltgegend dürfe es nicht noch weitere Spannungen geben. ,,Diese Region kann keinen weiteren Konflikt vertragen, auch keinen zwischen der Türkei und dem Irak'', so Steinmeier. Deshalb sei es bitter nötig, dass beide Seiten den Streit so schnell wie möglich wieder aus der Welt schafften.

Steinmeier ist nach Bagdad gekommen, um über den Krieg in Syrien den Überlebenskampf des Nachbarn nicht zu vergessen. Dazu hat er das Versprechen erneuert, den Wiederaufbau in Regionen zu fördern, aus denen die IS-Terrormilizen vertrieben werden. Hier soll möglichst schnell wieder normales Leben einkehren. Also soll die Verwaltung, sollen die Krankenhäuser, soll die Polizei wieder aufgestellt werden. Zentrale Hoffnung: Die Bevölkerung möge früh spüren, dass es aufwärts geht, wenn der IS weg ist.

Wichtigste Beispiele dafür: die Städte Tikrit und Sindschar. Tikrit wurde im Mai zurückerobert. Von den 160 000 Menschen, die einst flohen, sind nach irakischen Angaben 90 Prozent wieder zurückgekommen. Deshalb soll die Geburtsstadt des früheren Diktators Saddam Hussein als Modell für die Zukunft dienen. Die frühere Jesiden-Hochburg Sindschar ist erst Mitte November durch kurdische Kräfte befreit worden. Wegen seiner hohen symbolischen Bedeutung soll es erst recht schnell wieder aufgebaut werden. Erste Entscheidung: Mindestens 20 Millionen Euro will Deutschland dafür bereitstellen - und dazu auch fünf kleine Feldlazarette liefern.

Ob das Bagdad und die Iraker auf Dauer zufriedenstellen wird, ist ungewiss. In der Pressekonferenz mit Außenminister al-Dschafari wurde Steinmeier immer wieder gefragt, ob Deutschland nicht doch noch Luftangriffe gegen den IS fliegen werde. Steinmeier verwies erst auf das, was Deutschland im Nordirak leiste. Dann erinnerte er an die eben beschlossene Luftaufklärung. Und als auch das die Fragen nicht stoppte, sagte er: nein. Erst darauf gab es keine Fragen mehr.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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