Steinmeier Bundespräsident:Der Glaube, das Wort und das Amt

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Frank-Walter Steinmeier blickt nach vorne. Er ist evangelischer Christ, der zehnte von zwölf in diesem Amt. Möglicherweise kein Zufall. Ein Protestant liebt das Wort und die schöne Rede. (Foto: Dominik Butzmann/laif)

Frank-Walter Steinmeier wird der zehnte Bundespräsident sein, der evangelisch ist. Katholisch waren nur zwei. Das ist vielleicht doch mehr als ein Zufall

Von Heribert Prantl, München

Das Amt des deutschen Bundespräsidenten hat nicht Pompöses, sondern eher etwas Protestantisches. Es protzt nicht und es prunkt nicht und es prasst nicht, schon gar nicht mit Kompetenzen. Das Amt passt zum Habitus rationaler Selbstdisziplinierung, wie er einem protestantisch geprägten, bürgerlichen Milieu seit jeher eigen ist. Seine Ausstattung mit politischer Macht ist so bescheiden und so zurückhaltend wie der Schmuck in einer evangelischen Kirche. Dort soll, das ist die Überlegung, nichts ablenken von dem, was wirklich wichtig ist: die geistliche Predigt, das Gebet und das gemeinsame Singen.

So ähnlich ist es mit dem Amt des Bundespräsidenten auch: Seine Macht ist die Macht der Rede, damit muss er überzeugen. In der evangelisch-reformierten Kirche, der die Predigt besonders wichtig ist, sagt man über einen Pfarrer, der unter einer dreiviertel Stunde predigt, dass er Arbeitsverweigerung betreibt. Wer in dieser protestantischen Tradition zu Hause ist, wer mit dieser Welt vertraut ist, wer ein solches Verständnis vom Wert des Wortes hat, der hat auch ein Gespür für das Amt des Bundespräsidenten: Am Anfang war das Wort!

Neun von elf Bundespräsidenten waren Protestanten. Steinmeier ist der zehnte

Es ist deshalb vielleicht doch mehr als ein Zufall, dass von den bisher elf Amtsinhabern neun evangelisch waren; katholisch waren nur Heinrich Lübke, der zweite Bundespräsident, und Christian Wulff, der zehnte Bundespräsident. Der erste, Theodor Heuss, war evangelisch, wenn auch - wie besorgte Kirchgänger monierten - ein eher "kirchenferner Freigeist"; Adenauer, dem rheinischen Großkatholiken, war das egal; er erwiderte: "Aber er hat eine sehr fromme Frau; dat jenücht." Gustav Heinemann war "ein frommer Protestant, der vom christlichen Abendland schwärmte" (so sein SPD-Parteifreund Erhard Eppler).

Walter Scheel und Karl Carstens waren auch evangelisch, Richard von Weizsäcker war ganz besonders evangelisch und zweimal Präsident des Evangelischen Kirchentags; Roman Herzog war Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche und Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU; Johannes Rau war in Anspielung auf seine Bibelfestigkeit und sein pastorales Engagement gar "Bruder Johannes". Horst Köhler nannte die evangelische Kirche seine "geistige und geistliche Heimat". Und Joachim Gauck schließlich, der noch amtierende 11. Bundespräsident, ist evangelischer Pfarrer.

In Tradition mit der protestantischen Ehtik: fleißig, diszipliniert, sorgfältig und schlicht

Der Jurist Frank-Walter Steinmeier, Präsidentschafts-Kandidat von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP, wird als 12. Präsident in diese protestantische Reihe passen: Er gehört der Bethlehems-Gemeinde in Berlin an, ist ein engagiertes Mitglied bei den Evangelisch-Reformierten, die eine kleine von 22 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland ist und 145 Gemeinden mit 180 000 Mitgliedern zählt. Ihre Tradition und ihr Selbstverständnis gehen zurück auf Ulrich Zwingli, den Reformator von Zürich und auf Johannes Calvin, den Reformator von Genf. Schlicht sieht es aus im Inneren der Gotteshäuser dieser Kirche, im Kirchsaal in Berlin hängt nicht einmal ein Kreuz.

Der evangelische Christ Steinmeier sollte 2019 eigentlich Präsident des Evangelischen Kirchentags in Dortmund werden, nun wird der vormalige Außenminister Steinmeier 2017 Bundespräsident aller Deutschen. Die Evangelische Kirche muss sich also einen neuen Kirchentags-Präsidenten suchen, aber Steinmeier keinen neuen Staatssekretär; den nimmt er nämlich aus dem Außenministerium mit ins Bundespräsidialamt. Der diplomatische Beamte heißt Stephan Steinlein und ist ein evangelischer Theologe, der in der Wendezeit bei Wolfgang Ullmann, dem DDR-Bürgerrechtler und Kirchenhistoriker, studiert hat; zusammen mit David Gill übrigens, der in den vergangenen fünf Jahren das Bundespräsidialamt für Joachim Gauck geleitet hat.

Wenn man das so zusammenschaut und dann noch an die Kanzlerin Angela Merkel denkt, die aus einem evangelischen Pfarrhaus stammt - dann mag man die Bundesrepublik für eine Protestantische Republik halten.

Eine Aufgabe für die Vernunft

Steinmeier wird oft gefragt, welchen Leitspruch er sich denn für sein Amt wähle. Johannes Rau hatte einst sein Motto "Versöhnen statt spalten" schon als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen geprägt. Roman Herzog hat seinen Satz vom Ruck, der durch Deutschland gehen müsse, erst ziemlich am Schluss seiner fünf Präsidentenjahre erfunden. Steinmeier winkt daher ab, wenn man ihn nach einem Amtsmotto fragt. Erstens, weil ein Bundespräsident kein Papst sei und kein Wappen und keinen Wappenspruch brauche; und zweitens, weil sich ein tragendes Motto doch wohl erst im Lauf der Zeit herauskristallisiere. Aber einen Beitrag "zur Rettung der Vernunft in der Demokratie", sagt Steinmeier, möchte er schon gerne leisten.

Wenn das nun kein Motto, wenn das kein Vorsatz, wenn das keine Aufgabe ist! Aber bevor so ein Satz dann anfängt, pathetisch in die Höhe zu entschweben, holt Steinmeier ihn wieder herunter. Er werde, so meint er, in einer Zeit, in der sich viele Menschen "aus den Institutionen verabschieden", kraft seiner Erfahrung schon "ein bisschen erklären können, unter welchen Bedingungen Politik stattfindet". Der Außenminister Steinmeier hatte das des Öfteren so formuliert: "Wenn es stimmt, dass in einer globalisierten Welt die Probleme immer komplexer werden - dann können die Lösungen nicht einfacher werden". Schon wieder ein Motto.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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