Steinbrück: Streit mit Schweiz:Nervöse Indianer im Steuerreservat

Im Kampf gegen das Bankgeheimnis verärgert Finanzminister Peer Steinbrück die Schweizer mit "Wildwest-Rhetorik".

Gerd Zitzelsberger

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat es wieder geschafft: Zwar sind sich die Schweizer über ihren Umgang mit ausländischen Steuersündern keineswegs einig, aber geschlossen ist die Eidgenossenschaft jetzt in ihrer Empörung über Deutschland im Allgemeinen und den Sozialdemokraten Steinbrück in Besonderen.

Steinbrück: Streit mit Schweiz: Finanzminister Peer  Steinbrück hämisch: Die schwarze Liste unkooperativer Steueroasen, die in den vergangenen Wochen durch die internationale Politik spukte, sei wie eine Kavallerie.

Finanzminister Peer Steinbrück hämisch: Die schwarze Liste unkooperativer Steueroasen, die in den vergangenen Wochen durch die internationale Politik spukte, sei wie eine Kavallerie.

(Foto: Foto: Reuters)

Als "deutschen Herrenmenschen", der sich "für geschwänzte Sitzungen bei der Bank West-LB entschädigen" ließ, sieht ihn das Boulevardblatt .ch. Das Schweizer Bild-Pendant Blick spricht von "Wirtschaftskrieg", das Fernsehen von "Wildwest-Rhetorik", und Außenministerin Micheline Calmy-Rey bestellte am Dienstagnachmittag den deutschen Botschafter ein. Steinbrücks neue Äußerungen seien "inakzeptabel, aggressiv und beleidigend", sagte die Außenministerin im Parlament.

Nachdem Bern am Freitag angekündigt hatte, im Verdachtsfall das Bankgeheimnis für ausländische Steuerhinterzieher aufzuheben, hatte Steinbrück ein in der Schweiz als hämisch empfundenes Fazit gezogen: Die schwarze Liste unkooperativer Steueroasen, die in den vergangenen Wochen durch die internationale Politik spukte, sei wie eine Kavallerie.

"Die kann man ausreiten lassen. Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten lassen. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt", sagte Steinbrück, wie das Schweizer Fernsehen am Montagabend dokumentierte. Schon im Herbst hatte Steinbrück mit seinem Wort von der "Peitsche" das ganze Land empört. Auch damals wurde der deutsche Botschafter beim Außenministerium in Bern einbestellt.

Als "nicht minder skandalös", so die Neue Zürcher Zeitung, empfinden die Schweizer auch eine Äußerung von SPD-Chef Franz Müntefering. Dieser habe mit Blick auf die Steueroasen in aller Welt gesagt, "früher hätte man dort Soldaten hingeschickt. Aber das geht heute nicht mehr." Außenministerin Calmy-Rey sagte dazu nur, die Äußerung spreche für sich selbst.

Nicht weniger hadert die politische Klasse der Schweiz mit OECD-Generalsekretär Angel Guría, der als "intrigant" beschimpft wird. Das Alpenland ist Mitglied bei dieser Dachorganisation der großen Wirtschaftsnationen.

Die Schweiz fürchtet weitere Forderungen

Gleichwohl habe die Regierung in Bern erst aus der Presse erfahren, dass die OECD im Auftrag Großbritanniens, das zur Zeit den Vorsitz der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer führt, an einer Liste nicht-kooperationswilliger Steueroasen gearbeitet habe; auch die Schweiz stehe auf dieser Liste. Inakzeptabel sei, dass die OECD Daten über ein Mitgliedsland ohne dessen Wissen weitergebe.

Die OECD dementierte, dass sie eine solche Liste erstellt habe. Der Zürcher Tagesanzeiger hat in seiner Internet-Ausgabe jedoch ein entsprechendes Faksimile veröffentlicht. Dazu ließ die OECD nach Medienberichten wiederum wissen, dies sei keine Liste, sondern nur eine Aufzählung, die auf allgemein bekannten Informationen basiere. Dem Vernehmen nach hat die OECD 48 Länder auf die Liste gesetzt, die mit weniger als zwölf Staaten eine Auskunftspflicht über verdächtige Steuerhinterzieher vereinbart haben.

Groß sind die Befürchtungen in der Schweiz, dass die G-20-Staaten nach ihrem Erfolg bei der Auskunftspflicht über mutmaßliche Steuerhinterzieher weitere Forderungen stellen werden. "Wer einmal erpresst wird, wird auch beim nächsten Mal erpresst", sagte der Parlamentsabgeordnete Hans Kaufmann. Nach dem bisherigen OECD-Standard und den entsprechenden Abkommen müssen grenzüberschreitende Auskünfte nur erteilt werden, wenn eine bestimmte Person als Verdächtiger und die Verdachtsgründe genannt werden.

Die USA haben jedoch mit erheblichem Druck bereits einmal durchgesetzt, dass die Schweiz jüngst eine regelrechte Rasterfahndung nach amerikanischen Kontoinhabern in der Schweiz durchführte, die Steuern in beträchtlicher Höhe hinterzogen haben sollen. Mehr als 300 Akten wurden nach Washington geschickt.

Anlass zu Befürchtungen ist auch eine kryptische Äußerung des Bundesfinanzministeriums in Berlin, wonach der OECD-Standard bereits Auskünfte "in einem einfachen Besteuerungsverfahren" verlange. Der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz erklärte am Dienstag im Parlament, sein Land werde niemals einem automatischen Informationsaustausch bei Bankkunden zustimmen.

Dieses Verfahren haben die meisten EU-Staaten unter sich vereinbart. Zudem weist man in Bern darauf hin, dass in "Hinterhöfen" der G-20-Staaten, wie auf den Karibik-Inseln Turks & Caicos, die der britischen Krone unterstehen, nicht einmal Geldwäsche ausgeschlossen werden könne.

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