Steinbrück ist "Politiker des Jahres":"Noch ein Lob von Herrn Koch und ich bin politisch tot"

Lesezeit: 3 min

Der Finanzminister hat einen Titel, um den ihn 999 Kollegen beneiden. Dafür aber musste er die Laudatio von Ministerpräsident Koch ertragen.

Thorsten Denkler, Berlin

Peer Steinbrück dürfte zu den ganz wenigen in der SPD gehören, die Roland Koch noch freiwillig die Hand geben. Der ist für Sozialdemokraten so etwas wie die Blaupause eines über Leichen gehenden Konservativen. Was Koch wiederum nicht daran hindert, die Laudatio auf den wahren und vielleicht einzigen Krisengewinnler dieser Tage zu halten, eben auf Peer Steinbrück.

Finanzminister Peer Steinbrück (li., SPD) und Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bei der Preisverleihung "Politiker des Jahres" (Foto: Foto: ddp)

Der Bundesfinanzminister nämlich darf sich seit Donnerstagabend "Politiker des Jahres 2008" nennen. Als solcher hat ihn die Fachzeitschrift Politik und Kommunikation ausgezeichnet. Begründung: Steinbrück habe eine "herausragende Rolle beim Umgang mit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise" gespielt.

Politik und Kommunikation lebt im Wesentlichen davon, die lange reichlich unterschätzten Berufe des Politikkommunikators, Pressesprechers und Beraters salon- oder, in diesem Fall, zeltfähig zu machen. Darum ist das "Tipi" (indianischer Ausdruck für Zelt), der Schauplatz der Preisverleihung neben dem Kanzleramt, an diesem Abend randvoll mit Pressesprechern.

Koch und Steinbrück kennen sich schon lange

Auf der Bühne eine Jazz-Band, unter dem Zeltdach schwebt ein Kronleuchter. Am Morgen noch war Bundestag, Konjunkturpaket verabschieden. Hier ist Gala. Preisträger auszeichnen. Laudatio halten. Koch ist dran.

Der fragt erst mal mehr sich als das Publikum, auf was er sich da eingelassen habe. Als der die Einladung angenommen hatte, hätten wohl nur wenige einen Pfifferling darauf verwettet, dass er an diesem Abend noch als Ministerpräsident unterwegs sein würde.

Aber Koch hat sich auf den Abend eingelassen. Für Steinbrück kann er das schon machen. Beide kennen sich schon lange. Steinbrück war noch Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, als er mit Koch drei Nächte lang über einen neuen Länderfinanzausgleich verhandelt hat.

Seitdem schätzen sie sich. Und jetzt hat Koch mal Gelegenheit, öffentlich zu erklären, warum das so ist. Wobei er zu bedenken gibt, dass das, was er zu sagen hat, am Ende sowohl ihm als auch Steinbrück zur Last gelegt werden könnte.

Er, Koch, habe Steinbrück kennengelernt als "außergewöhnlich präzise". Und er verfüge über die Eigenschaft, diese Präszision "als Waffe" einsetzen zu können. Wobei er "nicht sehr wählerisch" bei der Auswahl seiner Gegner ist. Zudem pflege Steinbrück einen Humor, bei dem "mit erheblichen Kollateralschäden" zu rechnen sei. Gut möglich, dass Koch da an die "Heulsusen"-Kritik Steinbrücks an seine Genossen gedacht hat.

Viel wichtiger aber ist dem Laudator: Er weiß von Steinbrück, "dass er mich nicht hereinlegt". Bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, da könnte sich so etwas wie eine Männerfreundschaft entwickelt haben, ergänzt Koch: "Das ist das Maximum, was Konkurrenten miteinander erreichen können."

Steinbrück wirkt etwas mürrisch

Steinbrück darf dann auch noch was sagen, vor allem die Frage des Moderators beantworten, wie er das alles so schafft mit der Finanzkrise. Steinbrück lässt ein wenig von dem von Koch beschriebenen Humor durchblicken. "Ich bin gleichzeitig auch noch Briefmarkenminister. Das entlastet."

Er wirkt etwas mürrisch. So wirkt er immer. Wer das nicht kennt, kann bei den folgenden Sätzen nervös werden, als er beginnt, die berühmte Preisverleihungsrede eines bekannten Literaturkritikers zu zitieren: "Ich nehme diesen Preis nicht an", poltert Steinbrück. "Ich lehne diesen Preis ab. Es ist schlimm, dass es diesen Preis gibt."

"Noch ein Lob von Herrn Koch und ich bin politisch tot"

Einige Zuschauer rutschen da in freudiger Erwartung einer mittleren Sensation auf ihren Stühlen hin und her. Steinbrücks Entwarnung in Bezug auf das Reich-Ranicki-Zitat klingt auch nicht gerade beruhigend: "Gelegentlich habe ich diese Zuckungen auch gehabt."

Vor allem wegen der Kollegen. "Es gibt 1000 Politiker, von denen sich 999 für besser halten", sagt Steinbrück. Denen kommt der hessische Ministerpräsident als Laudator gerade recht. "Noch ein Lob von Herrn Koch und ich bin politisch tot."

Dann doch noch eine ernsthafte Frage: ob er denn nun für Konsumgutscheine sei, um die Konjunktur anzukurbeln. Steinbrück antwortet allgemein, aber unmissverständlich: Er habe kürzlich in diesem Tipi vor Jugendlichen gestanden. Jetzt frage er sich, was die dazu sagen würden, wenn sie am Ende "den Kapitaldienst für die Beträge zu übernehmen hätten, von denen leichtfüßig täglich die Rede ist". Der Politiker des Jahres hat gesprochen. Beifall. Abgang.

© sueddeutsche.de/akh/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: