Steinbrück gegen Schäuble im Bundestag:Schlagabtausch zwischen Merkels Finanzministern

Bundestag

Direkte Angriffe auf Merkel vermeidet SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück bei seiner Rede im Bundestag. Er schießt sich lieber auf die schwarz-gelbe Koalition als Ganzes ein, vor allem auf die laxe Bankenregulierung. 

(Foto: dpa)

Finanzpolitik erklären: Das kann Steinbrück, das nehmen ihm die Deutschen ab. Also attackiert der SPD-Kanzlerkandidat die Bundesregierung für ihre zaghaften Versuche, die Banken zu bändigen. Persönliche Angriffe meidet der Ex-Finanzminister aber. Anders Amtsnachfolger Wolfgang Schäuble. Der fackelt nicht lange - und geht Steinbrück frontal an.

Von Oliver Das Gupta, Berlin

Als er nach der Debatte um den Jahreswirtschaftsbericht um 11.11 Uhr ans Rednerpult tritt, reißt er erstmal einen Witz. Sein Vorredner, der wild umherfuchtelnde CDU-Abgeordnete Heinz Riesenhuber sei mit "Abstand der eleganteste Tänzer auf dem Podium des Bundestages", feixt Steinbrück. Regierungslager und Opposition lachen. Danach ist Schluss mit lustig.

Es geht um die Krise, um Banken, um Finanzmärkte und deren Regulierung. SPD und Grüne haben das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Und damit eine Gelegenheit für Steinbrück geschaffen, öffentlich zu punkten. Und das muss er auch. Seine Zustimmungswerte sind desaströs, seine neueste Wahlkampfidee schlug völlig fehl, dazu ringsherum bedrückte Genossen.

Merkels und Steinbrücks Berater

Merkels und Steinbrücks engste Berater

Eigentlich genau die Situation, um lautstark draufzuhauen und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit beißendem Spott und heftigen Attacken zu überziehen. Doch Steinbrück macht es anders, zumindest bei seinem heutigen Auftritt im Bundestag. Sachlicher als sonst attackiert er die Bundesregierung für ihre relativ zaghaften Versuche, Finanzmärkte und Bankenmacht zu bändigen. Fast demonstrativ meidet der Ex-Finanzminister persönliche Angriffe auf die direkten Gegenspieler: Amtsnachfolger Wolfgang Schäuble und die Kanzlerin kritisiert er nur ein oder zwei Mal. Ist Steinbrück, der gut und gerne Freund und Feind runterschnoddert, etwa verunsichert?

An Merkels Seite war er den Deutschen bekannt und sympathisch geworden. Als Bundesfinanzminister der großen Koalition, der mit der Kanzlerin den Bürgern Sicherheit vermittelte, nachdem 2008/2009 die große Krise ausgebrochen war.

Steinbrück redet so staatstragend, als ob er noch Minister wäre

Finanzpolitik erklären: Das kann Steinbrück, das nehmen ihm die Deutschen ab. Da attestieren sie ihm Kompetenz. Und so referiert der SPD-Kandidat zu Beginn seiner etwa 25-minütigen Ansprache manchmal so staatstragend, als ob er noch Minister wäre: Beim Sparkurs müsse man zwischen einer "lebensbedrohenden Dosis" und einer "lebensfördernden Dosis" unterscheiden. Die Krise, das dürfe man nicht vergessen, sei eigentlich eine Krise der "labilen Banken" und der labilen Finanzmärkte".

Dann kommt Steinbrück zum eigentlichen Punkt: Er knöpft sich die Koalition als Ganzes vor und die seiner Meinung nach von ihr allzu milde behandelten Banken. Die hätten zu viel Macht und bekämen so viel Geld, weil sie so tun, dass ohne sie alles zusammenbrechen würde, schimpft der SPD-Kanzlerkandidat.

Den Banken sei es gelungen, "Infektionskanäle in die Staatshaushalte zu legen", behauptet Steinbrück. Die Regierung treibe die Bürger immer tiefer in die Haftung, vor allem mit ihrem Ja zu einer direkten Absicherung der Banken durch den aus Steuergeldern finanzierten Euro-Rettungsschirm ESM. "Bei der Bundesregierung wird die neue europäische Bankenunion zur Umwälzanlage von Kapital aus den Staatshaushalten in Bankbilanzen", ruft er.

"Stammt alles aus der Feder von Frau Zypries und mir"

Der Hintergrund: Die Bankenaufsicht soll nach dem Willen der Euro-Zone bis März 2014 unter dem Dach der EZB gebündelt werden. Danach kann auch der Rettungsschirm die Banken direkt rekapitalisieren. Der Vorteil wäre, dass der Staatshaushalt des Mutterlandes dann nicht mehr belastet würde. Steinbrück will das anders: "Wir fordern ein europäisches Abwicklungsregime".

Nichts hätte Schwarz-Gelb in drei Jahren zur Finanzmarktregulierung zustande gebracht, behauptet Steinbrück. Geräuschvoller Unmut in den Regierungsfraktionen - und Steinbrück reagiert hämisch. "Gemach, gemach", ruft er, "keine Aufregung, keine Blutdrucksteigerung." Dann setzt er seine Sticheleien fort. Was in "Broschüren" und Anträgen steht, sei alles zur Zeit der großen Koalition entstanden. "Stammt alles aus der Feder von Frau Zypries und mir", sagt der Kandidat und lobt damit sich und die damalige SPD-Bundesjustizministerin.

Schäuble hat Mitleid

Jetzt hat Steinbrück Spaß, er setzt noch einen drauf: "Das was Sie hier betreiben, ist Copyrights verletzten!". Dann wettert er noch ein paar Minuten über Steuerbetrug. Bei dessen Bekämpfung habe die Regierung versagt. Das Abkommen mit der Schweiz sei ein "Ablasshandel", Union und FDP wollten der "deutschen Steuerfahndung Fesseln anlegen". Steinbrück ist jetzt im Wahlkampfmodus, doch dann ist seine Zeit vorbei. Er beendet seine Rede mit dem Verweis auf seinen Mentor und Altkanzler Helmut Schmidt und dessen Diktum wider den "Raubtierkapitalismus".

Dann fährt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zum Rednerpult. Der Finanzminister redet erst mit leiser Stimme und geht sofort auf den "Herrn Kollegen Steinbrück" persönlich ein. Man habe gut zusammengearbeitet, sagt der Christdemokrat, es gebe eine gewisse Solidarität zwischen Amtsvorgänger und Nachfolger. "Und ich habe auch ein bisschen Mitleid", sagt Schäuble mit Blick auf Steinbrücks Pannenserie und klingt dabei heuchlerisch.

Attacken auf Vorgänger Steinbrück: Schäuble während seiner Rede im Bundestag

Attacken auf Vorgänger Steinbrück: Schäuble während seiner Rede im Bundestag

(Foto: REUTERS)

Dann schreit Schäuble los: "Was werfen sie uns eigentlich vor?". Es folgen Minuten der direkten Anwürfe, eine Suada in Schwäbisch. Schäuble unterstellt Steinbrück, lediglich die SPD-Linken bedienen zu wollen. Mit "uraltklassenkämpferischen Parolen" käme der Kanzlerkandidat daher, mit "alten Hüten".

Zwischenrufe dringen aus den Reihen der Opposition. Schäuble ist das egal. Mit Verve stemmt er sich gegen Steinbrücks Bankenkritik. Für Schäuble ist sie nur eine "Verschwörungstheorie, die zum Himmel schreit". Der Opposition suche nach Wegen, wie die Notenpresse angeworfen werden könnte, um die Probleme in der Euro-Zone zu lösen, vermutet Schäuble - und klingt dabei selbst wie ein Klassenkämpfer.

Die Zwischenrufe werden lauter und wütender.

Dabei räumt Schäuble sogar eigene Fehler ein. Ja, auch er habe einst gedacht: "Je weniger Regulierung, desto besser für den Finanzplatz Deutschland". Das klingt demütig, das klingt nach einem, der dazugelernt hat. Und der Minister formuliert manchmal wie die Kanzlerin (oder formuliert sie wie Schäuble?), wenn er sagt: "Wir sind auf dem richtigen Weg, aber noch nicht über den Berg".

Die Zwischenrufe steigern die Geräuschkulisse, auch Steinbrück beteiligt sich längst. Immer wieder redet er dazwischen. Von der Zurückhaltung in seiner Rede ist kaum noch etwas übrig, Steinbrück setzt einen Zwischenruf nach dem nächsten ab.

"Die bringen gar nichts", erwidert Schäuble und zeigt in den folgenden Minuten, dass das nicht ganz richtig ist. Seine Miene verfinstert sich. Einmal hält er sogar inne und blitzt in die SPD-Fraktion, in deren erster Reihe Steinbrück sitzt und das Kinn vorschiebt.

Schäuble holt nun zu seinen letzten Schwingern gegen den Kanzlerkandidaten aus. Der ausgefuchste Minister hat schon viele Wahlkämpfe durchgestanden. Und so sagt er einen Satz, der Steinbrück am meisten schaden könnte, denn er zielt auf Steinbrücks Authentizität, auf seine Glaubwürdigkeit. Schäuble schaut ihn vom Pult herab an und ruft: "Sie sagen etwas, wovon ich nicht glaube, dass das der richtige Steinbrück ist."

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