Steigende Ausgaben für Jugendhilfe:Der hohe Preis des Kindeswohls

Die Ausgaben für die Jugendhilfe steigen stetig: 27 Milliarden Euro haben Bund, Länder und Gemeinden im vergangenen Jahr ausgegeben. Die Summe weist auch auf massive Probleme hin, denen Kinder und Jugendliche in Deutschland ausgesetzt sind.

Felix Berth

Der deutsche Staat gibt mehr Geld für Kinder und Jugendliche aus als je zuvor. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes investierten Bund, Länder und Gemeinden im vergangenen Jahr fast 27 Milliarden Euro in die Kinder- und Jugendhilfe. Das sind fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Dies ist zudem der größte Zuwachs seit der Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Jahr 1990.

Grafik Jugendhilfe in Deutschland

Ausgaben für Kinder in Deutschland.

(Foto: SZ-Grafik)

Die Kosten lassen sich zwei großen Bereichen zuordnen: der regulären Kinderbetreuung einerseits sowie den Hilfen für Kinder in schwierigen Lebenslagen andererseits. Der erste Bereich, die Betreuung in Kindergärten, Krippen und bei Tagesmüttern, boomt seit einigen Jahren. Bund, Länder und Gemeinden gaben dafür im Jahr 2009 mehr als 16 Milliarden Euro aus. Das zeigt, wie schnell der Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung derzeit vorankommt: Im Jahr 2008 lagen die Ausgaben um mehr als zehn Prozent niedriger. Wegen dieser hohen Investitionen gab es im März 2010 bereits Betreuungsplätze für knapp ein Viertel aller Kinder unter drei Jahren. Parallel zum Ausbau des Angebots stiegen die Kosten - dies ist der Preis für ein politisch gewolltes Projekt.

Der zweite Bereich, die Hilfen für Kinder in schwierigen Lebenslagen, weist auf massive Probleme hin, in denen ein Teil der Kinder und Jugendlichen aufwächst. So lagen die Ausgaben für "Hilfen zur Erziehung" im Jahr 2009 bei mehr als sieben Milliarden Euro. Damit werden zum Beispiel Pflegeeltern bezahlt, wenn sie fremde Kinder aufnehmen; auch betreute Wohngruppen für Jugendliche sowie Hilfsangebote von Sozialpädagogen für einzelne Familien zählen dazu.

Die Erziehungshilfen sind insgesamt beinahe halb so teuer wie alle Kitas zusammen. Diese Ausgaben, die fast ausschließlich von Städten und Gemeinden aufgebracht werden müssen, stiegen im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent. Der Zuwachs seit dem Jahr 2000 beträgt ungefähr fünfzig Prozent.

Die Kommunen stecken dabei in einem Dilemma: Einerseits wuchs in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit wie in sämtlichen Behörden die Sensibilität für Kindeswohlgefährdungen. Deshalb holen Jugendämter und Richter inzwischen mehr Kinder als je zuvor aus ihren Familien heraus; auch andere Hilfen für Eltern werden öfter angeboten. Gleichzeitig stellen Kommunen und Kreise fest, dass die Kosten für "Hilfen zur Erziehung" rasch steigen, was viele der kommunalen Haushalte überfordert.

In wohlhabenden Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg sind die Kostensteigerungen derzeit am höchsten - hier ist der Sparzwang, unter dem die Kommunen stehen, offenbar noch nicht so ausgeprägt wie im Osten Deutschlands. In Berlin sind die Ausgaben für Hilfen zur Erziehung im vergangenen Jahr nur um drei Prozent gestiegen, obwohl es dort wegen großer Armut und hoher Arbeitslosigkeit mehr Problemfamilien geben dürfte als im reichen Süden der Republik.

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