Statistisches Bundesamt:Fakten von großem Gewicht

Die Deutschen essen mehr, rauchen weniger und treiben durchschnittlich 27 Minuten am Tag Sport.

Von Thomas Öchsner

Die Deutschen sagen gern "Gesundheit", wenn etwa der Bürokollege niest. Sie wünschen zum Geburtstag "Gesundheit" und seufzen beim Smalltalk im Aufzug "Hauptsache gesund". Das heißt aber noch lange nicht, dass sie auch besonders gut auf ihre Gesundheit achten. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man das fast 700 Seiten starke neue Jahrbuch des Statistischen Bundesamtes durchblättert. Der dicke Wälzer, den die Behörde in Berlin vorstellte, zeigt: Viele Menschen im Land essen offenbar zu viel, rauchen trotz Krebs immer noch und hocken lieber vor der Glotze, als sich zu bewegen. "Wie gesund leben wir?", fragten sich die Statistiker. Das sind ihre Antworten:

Übergewicht: Männer und Frauen haben im wahrsten Sinne des Wortes deutlich zugelegt (Grafik). 2013 waren knapp 16 Prozent der Erwachsenen in Deutschland stark übergewichtig, Männer dabei etwas häufiger als Frauen. 1999 brachten nur zwölf Prozent der Männer und elf Prozent der Frauen deutlich zu viel auf die Waage. Auffällig groß sind die regionalen Unterschiede: In Sachsen-Anhalt waren 2013 fast 19 Prozent adipös, in Hamburg elf Prozent. Von starkem Übergewicht (im Fachjargon Adipositas) wird gesprochen, wenn Menschen einen Body-Mass-Index (BMI) von 30 und mehr haben. Der BMI beschreibt das Verhältnis von Körpergröße zu Körpergewicht. Berechnet wird der Richtwert so: Körpergewicht geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern.

Statistisches Bundesamt: SZ-Grafik; Quelle: Statistisches Bundesamt

SZ-Grafik; Quelle: Statistisches Bundesamt

Zuckerkranke: In Deutschland leiden Millionen Menschen an Zuckerkrankheiten. Die Statistiker schauten nun, wie häufig Menschen wegen Typ-2-Diabetes ins Krankenhaus müssen. Ergebnis: Binnen zehn Jahren stieg bei Männern die Zahl solcher Klinik-Behandlungen rapide von 190 auf 240 Fälle je 100 000 Einwohner im Jahr 2014. Bei Frauen ist die Anzahl gesunken. Ärzte stellen Typ-2-Diabetes verstärkt bei Kindern und Jugendlichen fest. Als ein entscheidender Grund dafür gilt, dass Menschen schon in jungen Jahren stark übergewichtig sind und sich nur wenig bewegen.

Rauchen und Krebs: Die Zahl der regelmäßigen Raucher war in den vergangenen 15 Jahren rückläufig. Nur noch etwa jeder Fünfte kann vom Qualmen nicht lassen. Die Statistiker registrierten jedoch, dass der Anteil von Raucherinnen im Alter von 50 bis 75 Jahren größer geworden ist. Das spiegelt sich auch in einer Krebsstatistik wider: Frauen starben 2014 viel häufiger an Lungen- und Bronchialkrebs als 2004.

Alkohol und Komasaufen: 2004 führte die Bundesregierung eine Sondersteuer auf branntweinhaltige Mischgetränke (Alkopops) ein. Diese habe zunächst nicht zu einem Rückgang der jungen Patienten mit einem Alkoholrausch geführt, sagte der Präsident des Statistischen Bundesamts, Dieter Sarreither. So kamen 2004 auf 100 000 Kinder und Jugendliche zwischen zehn bis unter 20 Jahren 179 Komafälle. 2012 waren es fast doppelt so viele. Seither geht die Zahl wieder leicht zurück. 2014 waren aber bei den ganz jungen Komasäufern zwischen zehn und 15 Jahren Mädchen mit 60 Prozent in der Mehrheit.

Sport: Jeder vierte private Haushalt besitzt einen Heimtrainer. Vier von fünf haben ein Fahrrad. Das bedeute allerdings nicht, "dass diese auch genutzt werden", sagte Behördenchef Sarreither. Tatsächlich kommt jeder Einwohner im Alter von mindestens zehn Jahren auf gerade einmal 27 Minuten pro Tag, in denen sie oder er sich körperlich bewegt oder Sport treibt. Zum Vergleich: Fürs Fernsehen, Video und DVD gucken geht mit 124 Minuten täglich 4,5-mal so viel Zeit drauf wie für Sport.

Essen, Trinken, Urlaub: Der Trend zu veganen und vegetarischen Lebensmitteln hat sich statistisch noch nicht bemerkbar gemacht, dafür sind die verfügbaren Zahlen des Bundesamts zu alt. So war der Fleischverbrauch mit 87 Kilo je Einwohner (ein Kilo weniger als 2001) im Jahr 2014 noch relativ groß. Die Bürger essen lieber als früher frisches Gemüse, Frischmilch und Käse, frisches Obst landet weniger häufig auf den Tellern. Auch am Bier wird gespart: 2015 flossen pro Kopf 98 Liter in die Kehle, vor zehn Jahren waren es noch 111 Liter. Jeder Zwölfte gibt jedoch an, sich nicht jeden Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten zu können. Und etwa jeder Fünfte kann nach eigenen Angaben wegen Geldmangels nicht einmal für eine Woche in den Urlaub fahren.

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