Statistik von Amnesty International:Wo die Todesstrafe noch vollstreckt wird

Im aktuellen "Henkerstaaten-Bericht" listet Amnesty International auf, wo Menschen 2012 per staatlich angeordneter Tötung starben. Die Auflistung vereint leise Hoffnungsschimmer mit erschreckenden Fakten: So kehrten einige Demokratien letztes Jahr zu Exekutionen zurück, unter ihnen auch Japan.

Bei seinen mutmaßlich letzten Worten hatte Naw Kham so viel Aufmerksamkeit wie die ganzen 44 Jahre seines Lebens nicht. Drei Dinge darf der Mann aus Myanmar vor den Kameras des chinesischen Staatsfernsehens CCTV noch loswerden: "Ich vermisse meine Mutter. Ich will meine Kinder größer werden sehen." Und: "Ich will nicht sterben." Dann wird der mutmaßliche Drogenbaron von zwei Polizisten in schwarzer Uniform zur Hinrichtung geführt, bevor der Henker die Giftspritze setzt, blendet der Sender aus.

Nur diese Zurschaustellung machte aus Naw Khams staatlich angeordneter Tötung Ende Februar einen Sonderfall. Öffentliche Hinrichtungen gehören auch in China seit Jahrzehnten der Vergangenheit an. Allen internationalen Appellen zum Trotz lässt die Volksrepublik nach Schätzungen immer noch jedes Jahr mehrere Tausend Menschen exekutieren. Die genaue Zahl wird als Staatsgeheimnis behandelt. Im "Henkerstaaten"-Bericht von Amnesty International - der weltweit zuverlässigsten Erhebung dieser Art - ist China deshalb, wie schon seit 2009, nur ein dunkler Fleck. In einem aber ist sich Amnesty sicher: "China hat 2012 wieder mehr Menschen hingerichtet als der gesamte Rest der Welt zusammen."

Doch auch in großen Demokratien wie Indien und Japan wurden dem Bericht zufolge nach längerer Unterbrechung wieder Todesurteile vollstreckt. SZ-Korrespondent Christoph Neidhardt relativiert diese Zahlen: "Japan hat immer an der Todesstrafe festgehalten - und sie auch immer vollzogen." Im Jahr 2011 hätte es keine gegeben, weil das Land nach dem Erdbeben "anderen Prioritäten" hatte. 2012 wurden in Japan sieben Menschen hingerichtet.

Das westafrikanische Land Gambia schickte nach mehr als einem Vierteljahrhundert Pause gleich neun verurteilte Verbrecher in den Tod - an einem einzigen Tag. Auch in Pakistan und Botswana wurden 2012 nach einer Pause wieder Menschen hingerichtet. Dies seien "sehr bedauerliche Rückschläge", sagte Oliver Hendrich von Amnesty International in Deutschland.

Das jüngste Beispiel lieferte Kuwait Anfang April. In dem Golfstaat, wo fast sechs Jahre lang ein Hinrichtungsstopp gegolten hatte, wurden drei verurteilte Mörder zeitgleich gehängt - auf dem öffentlichen Parkplatz vor dem Zentralgefängnis. Die Männer durften noch eine letzte Zigarette rauchen. Dann bekamen sie Kapuzen über den Kopf gestülpt, Arme und Beine wurden mit Ketten und Lederbändern gefesselt. Ihre Leichen wurden erst vom Galgen geholt, nachdem die Fotografen ihre Bilder gemacht hatten.

Todesstrafe in Kuwait

Vollstreckung einer Todesstrafe in Kuwait (Aufnahme aus einem Gefängnis in Kuwait-Stadt vom 1. April 2013).

(Foto: dpa)

Todesurteil nach erzwungenen Geständnissen

Die Anzahl der Hinrichtungen blieb konstant. Die Menschenrechtler kamen 2012 auf mindestens 682 Tötungen von Staats wegen - zwei mehr als im Jahr zuvor. Auch sonst gibt es in der neuen Statistik auf den ersten Blick kaum Veränderungen. Auf Platz zwei der Liste liegt wieder Iran, wo mindestens 314 Menschen gehenkt wurden. Es folgen der Irak (129), Saudi-Arabien (79), die USA (43) und der Jemen (28). Iran, Irak und Saudi-Arabien sind demnach für drei Viertel der registrierten Hinrichtungen verantwortlich. Amnesty schätzt zudem, dass es in Iran zahlreiche weitere Vollstreckungen der Todesstrafe gab, die offiziell nicht bestätigt wurden.

Besonders kritisch beurteilte die Organisation, dass in Afghanistan, Weißrussland und in weiteren Staaten Menschen aufgrund von erzwungenen Geständnissen zum Tode verurteilt würden. Im Irak sowie in Iran würden solche angeblichen Schuldeingeständnisse im Fernsehen gezeigt.

In Europa vollstreckt als letztes Land nur noch Weißrussland (drei Fälle) die Todesstrafe. Mit Ausnahme der USA sind das alles Mindestzahlen. Insgesamt ließen noch 21 Staaten hinrichten - genauso viele wie 2011.

In Deutschland liegt die letzte Exekution schon mehr als 30 Jahre zurück: Im Juni 1981 ließ die DDR den Stasi-Hauptmann Werner Teske unter anderem wegen angeblicher Spionage exekutieren. Die Bundesrepublik hatte die Todesstrafe schon 1949 aus der Verfassung gestrichen.

Mehr als zwei Drittel der 193 UN-Mitgliedsländer haben die Todesstrafe inzwischen de facto abgeschafft. In den USA kam kürzlich Maryland als 18. Bundesstaat hinzu. Als weitere positive Entwicklungen verbuchte die Menschenrechtsorganisation die Abschaffung der Todesstrafe im US-Bundesstaat Connecticut sowie die Aussetzung von Hinrichtungen in Singapur. Auch in Vietnam sei die Todesstrafe 2012 nicht vollstreckt worden. Darüber hinaus plane Ghana die Abschaffung der Todesstrafe.

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