Stasi-Unterlagenbehörde:Koalition will Ex-Stasi-Leute per Gesetz versetzen

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47 ehemalige Stasi-Mitarbeiter arbeiten in der Stasi-Unterlagenbehörde - ein Hohn für die Opfer, findet Behörden-Chef Jahn. Er will die Bediensteten unbedingt loswerden, eine Kündigung aber würde gegen das Arbeitsrecht verstoßen. Jetzt erhält er Unterstützung aus der Koalition: Die will das Stasi-Akten-Gesetz ändern. Ärger ist programmiert.

Constanze von Bullion, Berlin

Union und FDP im Bundestag wollen das Stasi-Aktengesetz ändern und wieder einen größeren Kreis von Staatsdienern auf Stasi-Mitarbeit überprüfen. 47 ehemalige Stasi-Leute, die in der Jahn-Behörde arbeiten, sollen zudem in andere Behörden versetzt werden. Ein entsprechender Passus soll ins Stasi-Akten-Gesetz eingefügt werden. Der Gesetzesentwurf, auf den sich die Koalitionsparteien im Kulturausschuss geeinigt haben, wird nun geprüft.

Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde in Berlin: Die Koalition will das Stasi-Akten-Gesetz ändern, um ehemaligen Stasi-Leuten die Arbeit in der Stasi-Unterlagenbehörde zu verbieten. Die Opposition kündigt Widerstand an. (Foto: AP)

Demnach dürfen Ex- Stasi-Leute nicht in der Stasi-Aktenbehörde arbeiten. Falls sie es bereits tun, sollen sie "ihren Fähigkeiten entsprechend und unter Berücksichtigung sozialer Belange auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz" versetzen werden - falls der Arbeitsplatzwechsel "zumutbar" sei und nicht gegen geltendes Arbeitsrecht verstoße. Die geplante Gesetzesnovelle stößt auf Widerstand in der Opposition.

"Gruppe 47", so nennen Parlamentarier salopp die 47 Mitarbeiter der Stasi-Akten-Behörde, die früher selbst beim DDR-Geheimdienst waren. Manche wurden als ehemalige DDR Grenzsoldaten dem Innenministerium unterstellt und der Gauck-Behörde weitergereicht. Andere stellte Joachim Gauck befristet ein, weil sie nützlich beim Entschlüsseln von Akten waren. Aus den befristeten Anstellungen machte Gauck unbefristete, heute arbeitet die meisten der 47 im Hausdienst der Behörde, einige im Archiv. Als dies bekannt wurde, war die Empörung groß. Es sei ein "Schlag ins Gesicht der Opfer", dass Besucher seines Hauses schon an der Pforte mit Stasi-Leuten konfrontiert seien, sagte der Stasi-Beauftragte Roland Jahn beim Antritt.

Jahn will die Ex-Stasi-Leute unbedingt loswerden, ein Rechtsgutachten bescheinigte ihm jedoch, dass eine Kündigung gegen das Arbeitsrecht verstößt, da die 47 sich seit 1990 nichts zuschulden kommen ließen. Das Gutachten regte eine Versetzung in andere Behörden an. Dort ziert man sich, auch die Mitarbeiter wollen nicht wechseln, nun machen Union und FDP Druck.

Wir wollen deutlich machen, dass der Gesetzgeber den festen Willen hat, eine Lösung für die 47 Mitarbeiter zu finden", sagte die CDU-Abgeordnete Beatrix Philipp. Man wolle den Mitarbeitern einen Wechsel "ohne Gesichtsverlust" ermöglichen. "Der derzeitige Zustand ist für die Opfer unzumutbar", sagte der sächsische FDP-Abgeordnete Reiner Deutschmann. Ihm sei auch "völlig unverständlich", warum SPD und Grüne die Vorschläge ablehnten.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) kritisierte den Vorstoß scharf. Die Mitarbeiter hätten 20 Jahre lang "anständig gearbeitet", es gebe keine Handhabe, sie zu entlassen. "Dies rückwirkend regeln zu wollen, ist rechtspolitisch hochproblematisch", sagt er der SZ. Ein Gesetz habe auch keine Einzelfälle zu regeln. "Eine Lex Jahn lehne ich ab." Der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland sagte, das Stasiakten-Gesetz regle den Umgang mit den Akten klar. "Eine Passage darin aufzunehmen, was man mit Pförtnern oder Chauffeuren macht, ist ein Systembruch."

© SZ vom 13.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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