Starke AfD in Sachsen:Warnruf für die CDU

Starke AfD in Sachsen: Die CDU hat gewonnen - doch mit wem regieren? Bundeskanzlerin und Parteichefin Angela Merkel mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich.

Die CDU hat gewonnen - doch mit wem regieren? Bundeskanzlerin und Parteichefin Angela Merkel mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich.

(Foto: John Macdougall/AFP)

Die Strategie der CDU-Spitze, die AfD durch Ignorieren kleinzuhalten, ist grandios gescheitert. So recht zugeben will das noch niemand aus der CDU-Spitze. Aber ein neuer Ton ist doch erkennbar.

Von Robert Roßmann, Berlin

Angela Merkel neigt nicht zu Übertreibungen, Euphorie überlässt sie gern Horst Seehofer und anderen leicht übermütigen Unionisten. Und so ist es einigermaßen erstaunlich, wie die CDU-Chefin an diesem Montag das Resultat von Sachsen preist. "Sehr, sehr froh" sei sie über das "herausragende Wahlergebnis", sagt Merkel auf der Bühne im Adenauer-Haus. Dies sei ein "guter Tag" für die ganze Partei.

Auf den ersten Blick kann sich die CDU auch nicht beschweren. Sie hat mehr Stimmen geholt als SPD, Linke und Grüne zusammen. Derartige Ergebnisse kennt ansonsten nur noch die CSU. Solange man aber keinen Partner hat, der einen über die 50 Prozent hievt, hilft einem auch ein solches Resultat nicht. Helmut Kohl musste das 1976 schmerzvoll erfahren, als er trotz eines Spitzenergebnisses von 49 Prozent die Bundestagswahl verlor. Und Merkel durfte gerade erst erleben, dass einen auch hervorragende 42 Prozent nicht davor schützen, außerordentlich schmerzhafte Kompromisse schließen zu müssen, wenn einem kein natürlicher Partner zur Seite steht.

Hoffen auf Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz

Aber genau dieser Partner ist der CDU am Sonntag erst einmal abhandengekommen: Die FDP ist auch in Sachsen implodiert. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es in ganz Deutschland keinen liberalen Minister mehr. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagt zwar trotzig, es sei immer noch zu früh, der FDP das Totenglöcklein zu läuten. In der CDU hoffen sie, dass bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz 2016 die FDP doch noch einmal über die Fünf-Prozent-Hürde kommt. In den beiden Ländern sind die Liberalen traditionell stark. Aber darauf verlassen will sich auch Tauber nicht.

Umso schlimmer ist es für die CDU, dass sich am Sonntag mit der AfD ein neuer Konkurrent rechts von der Union endgültig etabliert hat. In Sachsen mag das die CDU noch nicht ernsthaft stören. Die Union ist dort so stark wie in kaum einem anderen Land. Aber selbst dort wäre sie jetzt beinahe erpressbar geworden. Läppische 809 Stimmen mehr für die NPD - und die Rechtsradikalen hätten weiter im Landtag gesessen. Schwarz-Grün hätte dann keine ausreichende Mehrheit gehabt - und die sächsische Mini-SPD hätte der großen stolzen CDU den Preis für eine Koalition diktieren können.

Es ist deshalb kein Wunder, dass sich viele in der Union Sorgen machen. Sachsen prosperiert, die Schulen erhalten ständig Bestnoten und Ministerpräsident Stanislaw Tillich gehört zu den beliebteren deutschen Ministerpräsidenten. Wenn selbst dort Parteien rechts von der Union 15 Prozent der Stimmen holen, ist das ein Menetekel für die anderen Länder. Die Strategie der CDU-Spitze, die AfD durch Ignorieren kleinzuhalten, scheint jedenfalls grandios gescheitert zu sein.

Merkel will sich jetzt stärker kümmern

So recht zugeben will das am Montag noch niemand aus der CDU-Spitze. Aber ein neuer Ton ist doch erkennbar. Die AfD sei eine "Illusionspartei", die man jetzt enttarnen werde, erklären die Granden wie abgesprochen. Außerdem wolle man sich jetzt stärker um die Themen kümmern, welche die AfD offenbar so stark gemacht haben. Merkel nennt da die Kriminalität in der Grenzregion. Außerdem hätten "das Thema Asyl" und die Russland-Ukraine-Politik eine Rolle gespielt, sagt die CDU-Chefin. Der AfD-Erfolg sei "ein großes Stück Protest". Diesen Protest müsse die Union nun "auflösen". Dazu müsse sie "die Themen ansprechen und lösen, die die Menschen vor Ort bewegen".

Gleichzeitig wird die CDU jetzt ihre Lockerungsübungen mit den Grünen fortsetzen. Vielen wäre es am liebsten, Tillich würde sich für die Grünen entscheiden. Schwarz-Grün in Sachsen könnte auch im Rest des Landes den Weg zur dringend nötigen dauerhaften neuen Koalitionsoption erleichtern. Ein neuer Ton in der Asylpolitik dürfte dieses Ranpirschen an die Grünen aber nicht einfacher machen. Auch die in der CDU lodernde Debatte über ein Bündnis mit der AfD wird die Grünen nicht begeistern.

Erika Steinbach und Mike Mohring sind mit ihrer Offenheit in den CDU-Gremien zwar isoliert. Aber spätestens dann, wenn in einem Land die CDU nur mit der AfD eine Chance auf eine Regierungsbeteiligung hat, dürfte die Debatte lebhaft werden. In Hamburg konnte sich vor 2001 auch niemand vorstellen, dass die CDU einmal eine Koalition mit der Schill-Partei eingeht. Merkel war damals übrigens auch schon Parteichefin.

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